Tal der Tausend Nebel
weißt, dass sie generell nicht sehr viel von den USA hält …«
Er zwinkerte seiner Tochter zu. Sie waren in dieser Sache Verbündete. Und tatsächlich war Maja die Einzige, die sich zumindest ein wenig für den Anteil Hawaii in ihrem Blut interessiert hatte. Ihre Mutter und ihre beiden Geschwister hatten nie ein Interesse daran bekundet, was bestimmt auch damit zu tun hatte, dass ihre Mutter aus dem Elsass stammte und Frankreich über alles liebte. Fast alle ihre Familienferien hatten sie dort verbracht.
Maja wusste instinktiv, dass ihr Vater ihr nicht alles gesagt hatte. Sein von ihr abgewandter Blick bestätigte es ihr heute aufs Neue. Aber auch seine Verschwiegenheit hatte sie seit ihrer Rückkehr aus Nizza mehrfach angesprochen. Max Kemper machte schon immer viel mit sich selber aus. Auch jetzt wollte er sie partout nicht einweihen. Alles, was sie zu hören bekam, waren Floskeln über viel zu komplexe Zusammenhänge, die sie ohnehin nicht verstehen würde.
»Schau, Liebes, Keanu hat mich wegen einer rein rechtlichen Sache kontaktiert. Unter Umständen könnte meine genetische Herkunft und damit mein Erbrecht die umstrittenen Besitzverhältnisse um ein Stück Land auf Kauai betreffen. Das ist alles.«
Doch Maja ließ nicht locker.
»Wenn du derjenige bist, dem dieses Stück Land vielleicht gehört, weil du der rechtmäßige Erbe bist, dann betrifft es auch mich als deine Tochter, oder etwa nicht?«
Sein Nicken hatte ihr das zwar bestätigt, aber er hatte ihr gleichzeitig versichert, es müsste von Seiten der Kempers aus nichts weiter getan werden; man solle nur einfach abwarten. Die Regierung der USA musste alle Unterlagen prüfen, die Geburtsurkunde und die genauen militärischen Daten von Majas Großvater.
»Weißt du, Liebes, wir kennen diesen Mann nicht. Vielleicht war mein biologischer Vater ein Betrüger, ein Mörder, ein Taugenichts. Ich jedenfalls halte alles für möglich. Was für ein Mann lässt sonst kurz nach dem Krieg eine junge schwangere Frau zurück, die mittellos ist und ein Kind von ihm bekommt?«
Der Stachel saß tief. Maja wusste es. Ihr Vater fuhr fort.
»Bei den Namen auf Grundstücksurkunden auf den hawaiischen Inseln ist es zudem ohnehin nicht ganz leicht, die rechtmäßigen Erben zu finden. Keanu hat meinen Namen aus dem Register, in das ich mich bei meinem einen Besuch eingetragen hatte, um meinen verschollenen Vater zu finden. Er kümmert sich darum. Wir haben gerade gestern miteinander telefoniert.«
»Ihr habt was?«
Sie glaubte, falsch gehört zu haben. Aber ihr Vater lächelte traurig.
»Seit deiner Rückkehr nach München hat sich Keanu bereits zweimal bei mir gemeldet. Aber er hat dir noch nicht einmal einen Gruß ausrichten lassen.« Ihr Vater sah sie mitleidig an.
»Du hast dich ein wenig in ihn verguckt, nicht wahr? Aber Menschen aus Hawaii vermischen sich nur ungern mit anderen Völkern. Besonders, wenn sie selber reines Blut haben, noch dazu edles Blut, dann bleiben sie lieber bei ihresgleichen. So war es angeblich auch bei meinem biologischen Vater. Seine Familie hätte meine Mutter nie bei sich aufgenommen. Don’t mix the blood … Das hat mir bei meinem Besuch der zuständige Beamte gesagt. Die Hawaiianer sind anders als wir. Sie mögen zudem keine Weißen, nicht wirklich.«
Auch das beschäftigte Maja, denn wie genau konnten Keanu und sie überhaupt beide zum Klan von Elisa Vogel gehören? Doch das war in diesem Moment zweitrangig. Was sie wirklich traf, war die Tatsache, dass Keanu mit ihrem Vater sprach und ihr noch nicht einmal einen Gruß ausrichten ließ. Was war ihre Affäre überhaupt für ihn gewesen? Ein kurzer Snack?
»Was ist mit dir? Warum trinkst du nichts?«
An dem lärmenden, fröhlichen Tisch im Ammerzelt, einem der kleineren Bierzelte, saß Maja nachmittags mit ihren besten Freundinnen zusammen. Aber anstatt teilzunehmen an der fröhlichen Frauenrunde im Dirndl, die sich hier wie jedes Jahr einen Tisch leistete, um Münchens wichtigstes Fest zu feiern, war Maja mit ihren Gedanken auf Hawaii.
Ina trank und deutete dann auf Majas Busen, der von dem Ausschnitt ihres Dirndls vorteilhaft zur Geltung gebracht wurde.
»Täusche ich mich, oder sind die in letzter Zeit gewachsen?«
Maja lächelte säuerlich. Ina entging auch rein gar nichts. Tatsächlich hatte sie in den drei Wochen, seitdem sie von der Côte d’Azur zurückgekehrt war, mehrere Kilo zugenommen. Sie nickte und antwortete laut, um die ankommenden Blechbläser zu
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