Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
Vom Netzwerk:
dachte Maja. Sie ging deshalb auch zunächst nicht zu der Münchner Adresse, die sie bei Anela aufgeschrieben hatte. Die eine formelle E -Mail von ihm auf einem fremden Computer war genug, eine weitere Enttäuschung wollte sie nicht riskieren. Es tat zu weh. Aber zur Ruhe kam sie deshalb noch lange nicht. Halbe Nächte recherchierte sie am Internet alles, was sie über Hawaii herausfinden konnte.
    Sie interessierte sich für Elisas Zeit, die kurze Periode der hawaiischen Republik auf den Inseln, in der die letzte Königin versuchte, das Königreich Hawaii für die Urbevölkerung zu retten. Aber Maja war auch zunehmend an der heutigen Situation Hawaiis interessiert, besonders an der Bildungspolitik, den speziellen Kamehameha-Schulen, benannt nach dem Königshaus von Hawaii.
    Sie fand Keanu dort in seiner Eigenschaft als Berater, aber auch als Vorsitzender in wichtigen Komitees und Aufsichtsräten. Sie erfuhr auf seiner Webseite von den beiden Jahren, die er sich freigenommen hatte, um ein Buch zu schreiben. Sein Foto zeigte ihn unverbindlich lächelnd und unschuldig. Es log, wie Maja wusste. Dieser Mann war alles andere als unschuldig, denn schließlich hatte er ihr Herz gestohlen. Von seinen anderen Aktivitäten, nämlich seinem Engagement im Untergrund und seinen Bemühungen, weitere Landverkäufe von Einheimischen zu verhindern, fand Maja nichts. Auch sein Buch konnte sie nirgendwo bestellen. Es schien entweder vergriffen zu sein, oder aber der Verleger hatte kalte Füße bekommen.
    Schließlich fand sie in den Tiefen des Netzes auch eine kleine Zusammenfassung über Elisa Vogel. Der kurze Absatz klang wie die Legende über eine europäische Wohltäterin, die um die Jahrhundertwende Vorreiterin von gesellschaftlichen Reformen auf den Inseln Hawaiis war, ließ aber wichtige Fakten aus. Jetzt schon wusste Maja sehr viel mehr über die weiße Haifischfrau als hier zu finden war.
    Erstaunlich war, dass zwar Elisas Geburtsdatum in Hamburg angegeben war, aber kein Todesdatum. Zwei Kinder soll Elisa gehabt haben, aber auch darüber war man sich nicht sicher. Einige ihrer Zeichnungen und auch ein Ölgemälde waren zu sehen. Das Gemälde war naturalistisch. Es zeigte einen gigantischen weißen Hai, der eine junge Frau in europäischer Kleidung mit sich in die Tiefe zog. Elisa Vogels Zeichnungen zeigten verschiedene Motive und hatten unterschiedliche Formate. Ein altmodisches Segelschiff, vermutlich die Bremen III , war auf einer kleineren Zeichnung, nachträglich sehr sorgfältig koloriert. Es gab auch mehrere Landschaftszeichnungen, darunter einen Wasserfall und eine lange Schlucht. Waimea Valley, stand unten am Bildrand, dazu das Jahr 1894.
    Die letzte Zeichnung aber nahm Maja den Atem. Lange saß sie nachts da und starrte das Porträt an, das ihr entgegenblickte. Es war ihr eigenes Gesicht.
    Mit ihrem Vater versuchte Maja mehrere Male, über seine Verbindung zu Hawaii zu sprechen, aber ihre Gespräche waren nicht sehr fruchtbar. Max Kemper blieb merkwürdig verschlossen, sobald seine Tochter ihn auf seinen biologischen Vater, also ihren hawaiischen Großvater ansprach. Da war ein tiefer Schmerz in ihm, wie Maja vermutete, wahrscheinlich, weil die Existenz ihres Vaters dem amerikanischen Besatzungssoldaten so gleichgültig gewesen war. Maja aber ließ nicht locker.
    »Ich habe ein Recht darauf, so viel wie möglich zu erfahren, weißt du … Es geht hier auch um mich. Und ich träume von Hawaii, Papa, sehr oft sogar. Ich gehe nachts dorthin, und es fühlt sich an, als wäre ich wirklich dort. Ich habe vielleicht eine Sehnsucht, weil du eine Sehnsucht nach diesem Ort hast? Ich meine, vielleicht ist es ja gar nicht meine, sondern deine Sehnsucht?«
    Ihr Vater sah sie lächelnd an. Maja hatte ihm in wenigen Sätzen von ihrer Begegnung mit Keanu erzählt. Natürlich hatte sie nichts von Sex und schon gar nichts von ihrem Verliebtsein erwähnt, aber ihr Vater kannte sie gut. Er nickte.
    »Du suchst eine Erklärung. Das verstehe ich. Aber suche sie nicht bei mir, sondern lieber bei dir selbst. Es tut mir leid für dich, dass Keanu schon verlobt war. Daher konnte zwischen euch nur eine Bekanntschaft entstehen. Ihr beide hattet einiges gemeinsam, das war auch mein Gefühl. Deshalb wollte ich, dass du ihn kennenlernst. Das andere, also die Sache mit dem Land auf Kauai, das ist noch lange nicht spruchreif. Aber wenn du willst, dann halte ich dich gerne auf dem Laufenden. Deine Mutter will davon nämlich gar nichts wissen. Du

Weitere Kostenlose Bücher