Tal der Tausend Nebel
ihre Treffen lustig gewesen. Elisa hatte Ehrgeiz darin entwickelt, ihm ihre Sprache möglichst rasch beizubringen. Er hatte sich belustigt revanchiert. Peu à peu hatte er ihr die Sprache seines Volkes ebenfalls beigebracht. Wahine, Frau . Kane, Mann. Alles war anfangs ein Spiel. Doch über die Frühlingsmonate hatte er ihr weitaus mehr beigebracht als nur die Worte. Er hatte sie mit Sinn gefüllt.
Bei seinem Volk gab es nicht einfach nur Frau und Mann. Die Energien von Weiblich und Männlich hatten eine größere Bedeutung. In der Pflanzenwelt, vor allem in der Heilung von Krankheiten, war das Geschlecht einer Heilpflanze essenziell. War eine Pflanze eine Wahine oder ein Kane , so hatte sie unterschiedliche Eigenschaften. Heilung war das Ziel. Elisa wusste, dass nur die männliche Wasserpflanze ihrer Mutter Segen bringen würde. Der erste männliche Tausend-Nebel-Stiel lag glänzend in ihrer Hand. Es war ein prachtvolles Exemplar, saftig und mindestens zwanzig Zentimeter lang.
»Mahalo!«
Sie dankte dem Geist der Pflanze durch eine kleine Verbeugung, wie Kelii es ihr beigebracht hatte, als er sie das erste Mal zum Wasserfall brachte und ihr gezeigt hatte, wo die besten Tausend-Nebel-Stiele wuchsen.
Elisa lächelte weich, als sie jetzt an ihn dachte. Kelii hatte immer wunderbare Pläne mit ihr. Seit einigen Wochen schon wollte er sie jetzt mit in seine Unterwasserwelt nehmen. Es war Sommer. Der Ozean wärmte sich tagsüber auf, sodass er nicht mehr zu kalt für Elisa krankes Bein war. Kelii schwamm bei Vollmond auch immer nachts mit den Haien am Riff. Aber bisher hatte er immer gesagt, dafür sei die Zeit noch nicht reif. Großvater Hai hätte Elisa zwar ausgewählt, aber noch sei er eine Gefahr für sie, weil sie Angst vor ihm hätte. Zudem mochte Großvater Hai keine Weißen, wie Kelii sie gerne neckte, wenn er sie provozieren wollte.
Elisa seufzte. Wenn nur ihre Angst vor dem Schwimmen endlich weichen würde. Seit der Hai sie in die Tiefe gezogen hatte, war etwas mit ihr geschehen. Immer wenn Elisa jetzt Angst verspürte, war sie wie versteinert. Ihr Bein war dann wie festgefroren, sie konnte sich nicht bewegen, und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. In diesen Momenten spürte sie den Kranz des Gebisses von Großvater Hai auf ihrer Haut am Oberschenkel. Selbst jetzt, als Elisa in dem harmlosen Süßwasserbecken an den mächtigen Hai dachte, kroch das Gefühl der Angst in ihr hoch. Sie konnte diesen Horror alleine nicht kontrollieren und schämte sich bisweilen, wenn sie unter Menschen plötzlich versteinerte und nur noch stottern konnte.
Nur wenn Kelii bei ihr war, war es anders. Er gab ihr das Gefühl von Sicherheit, weil sie sich vor ihm nie verstellen musste.
Mit traurigem Lächeln stieg Elisa aus dem Wasser. Sie legte drei glitschige Stiele auf den runden weißen Felsen in die Sonne zum Trocknen. Es waren männliche Pflanzen, eindeutig zu erkennen an der schwarzen Markierung an der Spitze. Es würde reichen, um für ihre Mutter genug Pulver für ein halbes Jahr zu machen. Dann würde sie sicherlich wieder gesund werden.
Elisa ließ am Ufer ihre Füße trocknen. Die Sonne brach mit goldenem Morgenlicht durch das dichte Blätterdach. Die wenigen Strahlen, die den fruchtbaren schwarzen Boden erreichten, waren ungewöhnlich warm für die Tageszeit.
Obwohl sie wusste, dass es besser wäre sich zu beeilen, um nicht allzu spät ihre Pflichten im Haus zu beginnen, war das Rauschen des Wasserfalls eine große Verlockung. Nur einmal kurz eintauchen! Schnell zog sie sich das Kleid über den Kopf. Eilig stieg sie aus der langen Unterhose, gerüscht und gestärkt ein Relikt aus ihrer deutschen Heimat, aber ihre Mutter bestand darauf.
Ordentlich hängte Elisa die Kleider über einen Zweig. Danach löste sie ihren geflochtenen Zopf. Meist trug sie ihr wildes Haar streng gebunden, damit es nicht in der tropischen Sommerluft verfilzte. Jetzt jedoch schüttelte sie es mit einem zufriedenen Seufzer. Sie blickte an sich herunter und betrachtete ihren blassen, nackten Körper. Wie weiß ihre Haut war! Ihre Brüste schimmerten so hell wie die kugelförmigen Quarzsteine, die das Wasserbecken einrahmten.
Elisa schloss genüsslich ihre Augen. Warm durchströmte die Sonne ihre Haut. Kleine Lichtpfeile kitzelten sie. Ihre Poren erwachten zum Leben. Sie berührte zärtlich ihre hellrosa Brustwarzen, die sich sofort unter ihren tastenden Fingerspitzen aufrichteten. Wie gerne würde sie auch einmal von ihm berührt
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