Tal der Tausend Nebel
Wind entgegen. Ihr Onkel entschuldigte sich vor seinem Freund und nahm Elisa beiseite. Seine Augen ließen keinerlei Zweifel daran, dass er innerlich vor Wut schäumte.
»Kein Mann wird je eine Ehefrau haben wollen, die sein Wissen in ihren Schatten stellt. Du bist eine Frau, noch dazu meine Nichte, und solltest dich bemühen, deiner Tante und mir Ehre zu machen. So beschämst du uns! Zudem könntest du mit einem solchen Verhalten deinen zukünftigen Mann öffentlich blamieren! Gerit Janson ist eine gute Partie. Ihm gehören auf der anderen Seite der Insel zwei Plantagen, die um einiges größer sind als unsere …«
Elisa unterbrach ihn entsetzt: »Aber Gerit Janson ist mehr als doppelt so alt wie ich. Er soll zudem schon große Kinder haben und zwar mit zwei einheimischen Frauen …«
Ihr Onkel sah sie scharf an.
»Nein, Elisa, mein Freund Gerit hat keine Kinder, zumindest keine, die seinen guten Namen tragen. Etwas anderes zählt bei uns hier nicht. Ich rate dir dringend, dich nicht so viel mit den Einheimischen zu unterhalten. Und vor allem solltest du mich nie wieder unterbrechen, wenn ich etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Gerit Janson hat ein Interesse an deiner Person angemeldet, obwohl er auf den Inseln freie Auswahl hat. Er tut es mit zuliebe, Elisa, verstehst du? Er weiß, dass ich mir erhofft hatte, du würdest in eine Plantage einheiraten, die gut zu unserer passen würde. Es wäre ein echter Freundschaftsdienst von ihm, wenn er dich trotz deiner … deiner körperlichen Versehrtheit zur Frau nehmen würde.«
Elisa zitterte innerlich vor Entsetzen bei dem Gedanken an eine solche Ehe, aber sie wartete diesmal gehorsam, bis ihr Onkel seinen Satz beendet hatte.
»Aber ich will deinen Freund nicht heiraten. Er ist zu alt und außerdem ist er mir … er ist mir körperlich zuwider.«
Allein wenn sie an die gedrungene Erscheinung mit den groben Händen dachte, wurde ihr spontan übel.
»Bitte, Onkel Paul, auch wenn Gerit Janson in deinen Augen die beste Partie auf Kauai sein mag … ohne mein Einverständnis würdest du mich doch sicherlich nicht verheiraten wollen, oder?«
Aber ihr Onkel hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Katharina trat mit finsterem Blick zu ihnen.
»Gerit hat sich vorzeitig verabschiedet. Ich soll dich von ihm grüßen, Paul, und dir ausrichten, dass ihr euch kommende Woche im Club treffen werdet, um weiter zu verhandeln.«
Danach wandte sich Katharina mit sichtlicher Schadenfreude an Elisa.
»Willst du wissen, was unser guter Freund Gerit über dich gesagt hat, meine Liebe?«
Elisa hatte keinerlei Interesse an neuen Gemeinheiten, doch Katharina redete bereits weiter und ließ sich dabei jedes einzelne Wort genüsslich auf der Zunge zergehen.
»Ein Krüppel sei als Eheweib schon Zumutung genug, meint er. Aber wenn der Krüppel sich noch dazu wie ein besserwisserischer Blaustrumpf gebärden würde, dann möchte Gerit bei aller Freundschaft zu uns doch lieber weiterhin Junggeselle bleiben …«
Von diesem Tag an musste Elisa ihre Bücher zur Strafe ganz wegpacken. Unter Katharinas Aufsicht sollte sie sich nur noch auf ihre Rolle als künftige Ehefrau und Mutter vorbereiten. Ihre Tante bestand darauf, dass Elisa die ihr fehlenden häuslichen Tugenden möglichst schnell entwickelte, um besser vermittelbar zu sein. Gerit Janson hatte zwar nach der ersten Begegnung mit Elisa die Flucht ergriffen, aber ganz abgeneigt schien er doch nicht zu sein. Das erfuhr Elisa ein paar Tage darauf von ihrem Onkel. Paul hatte Gerit im Männerclub von Lihue getroffen und danach ein paar Tage auf der anderen Seite der Insel beim Jagen mit ihm verbracht. Elisas Onkel glaubte, sich doch noch mit seinem Freund wegen Elisa einig werden zu können. Gerit hatte Paul anvertraut, dass er Erben brauchte, denen er seinen Namen geben konnte.
Elisa verzweifelte allein bei dem Gedanken, aber ihr Onkel und ihre Tante blieben eisern. Janson war die beste Partie der Insel. Zudem war er reif genug, um Elisas verquere Vorstellungen vom Frausein in den Griff zu bekommen, meinte Katharina. Die Nichte ihres Mannes sollte, wie sie selber auch, in erster Linie gehorsame Ehefrau und Mutter werden. Aber noch einen weiteren Vorteil sah Katharina in einer Verbindung zwischen Elisa und Gerit: Ab dem Moment der Heirat wäre Katharina wieder die einzige Plantagenherrin auf dieser Seite der Insel. Gerit lebte auf der anderen Inselseite. Sie wären durch Elisas Eheschließung verschwägert und so eng geschäftlich verbunden, dass
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