Tal der Tausend Nebel
Stimme war noch leiser, als er zögernd fortfuhr.
»Danke, dass Sie mir zuhören. Außer Ihnen kann ich mich niemandem anvertrauen. Besonders meine Familie darf nichts davon wissen …«
Elisa sah ihn neugierig an.
»Sind Sie deshalb zurückgekommen? Weil Sie Leilani … lieben?«
Das letzte Wort kam Elisa nur schwer über die Lippen. Johannes nickte vorsichtig.
»Darf ich Ihnen unser Geheimnis anvertrauen? Aber Kelii darf wirklich nichts davon erfahren, zumindest jetzt noch nicht. Bitte, Elisa, ich brauche jemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Kann ich auf Sie zählen …?«
Elisa hörte die Dringlichkeit in seiner Stimme, wusste aber nicht, ob sie es wirklich schaffen würde, etwas auf Dauer vor Kelii geheim zu halten. Er war schließlich ihr bester Freund und zudem ihr Liebster. Und wenn Johannes’ Geheimnis Keliis Lieblingsschwester betraf, würde es ihr doppelt schwerfallen, ihn nicht einzuweihen. Sie wollte gerade abwehren, als Johannes schnell weiterredete.
»Wir brauchen vielleicht Hilfe. Leilani und ich sind schon lange zusammen, eigentlich seid wir Kinder sind. Wir sind … wir sind ein Paar. Und jetzt ist Leilani in Schwierigkeiten, die auch mich betreffen. Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«
Johannes machte eine kurze Pause. Elisa spürte seine verzweifelte Aufregung, aber auch seinen nahezu heiligen Ernst.
Sie schluckte.
»Sie meinen … Leilani erwartet ein Kind von Ihnen?«
Johannes nickte. Sein Geheimnis war gelüftet. Elisa sah stumm geradeaus, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Etwas in ihr war mit einem Mal traurig und stumpf. Obwohl sie es sich nicht erklären konnte, empfand sie eine ungewisse Enttäuschung. Johannes’ Verhalten war bei ihrer ersten Begegnung im Hof spielerisch und leicht gewesen. Sie hatte sich spontan gefreut, in dem Patensohn ihres Vaters einen Freund gefunden zu haben, der unbelastet und frei war und dennoch ein Weißer wie sie. Doch als sie ihn jetzt vorsichtig von der Seite ansah, war alle Leichtigkeit von ihm gewichen. Vor ihr stand ein junger Mann, der jede Menge Schwierigkeiten auf sich zukommen sah. In Elisa überwog das Mitgefühl. Kurz legte sie ihre Hand auf seine.
»Erzählen Sie mir alles … Sie können mir voll und ganz vertrauen.«
Johannes Augen leuchteten, als er begann, von Leilanis Schönheit und Klugheit zu sprechen. Mit Unbehagen erinnerte sich Elisa daran, wie sie sich in Gegenwart der stolzen hawaiischen Schönheit wie eine unförmige Schildkröte gefühlt hatte. Johannes’ Stimme überschlug sich jetzt fast vor Begeisterung.
»Ich liebe Leilani wie meine Frau. Ich meine, wir sind zwar nicht verheiratet, zumindest nicht nach dem Gesetz, aber ich liebe sie … weil sie für mich die schönste und klügste und wunderbarste Frau der Welt ist. Verstehen Sie mich?«
Und wie Elisa ihn in diesem Moment verstand. Sie liebte ebenfalls aus ganzem Herzen und dennoch verspürte sie in diesem Augenblick so etwas wie Eifersucht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Kelii jemals in solch glühenden Worten von ihr sprechen würde. Im Vergleich zu Leilani und ihren Freundinnen würde Elisa sich nie wirklich schön fühlen können. Keine weiße Frau konnte es ihrer Meinung nach mit der Eleganz und dem sanftmütigen Charme der naturverbundenen, südländischen Schönheiten aufnehmen. Johannes schien jetzt wie von einem Fieber ergriffen.
»Sie liebt mich auch, verstehen Sie. Sie liebt mich und hat es mir vor meiner Abreise vor sechs Monaten bewiesen. Doch jetzt … jetzt bekommt sie ein Kind von mir. Das war nicht geplant. Es geschah kurz vor meiner Abreise, Sie verstehen … Wir hatten sonst immer aufgepasst. Doch mit der Zeit konnte sie ihren Zustand im Dorf nicht länger verstecken. Ihr Vater und ihr Bruder wissen bereits, dass sie ein Kind bekommt, aber Leilani hat nicht verraten, von wem … Aber wenn es in drei Monaten auf die Welt kommt, wird man sehen, dass es das Kind von einem Haole ist … und was wird dann mit ihr? Was wird mit meinem Kind?«
Johannes’ Stimme verebbte, und er sah zu Boden. Elisa spürte seine Angst, als wäre es ihre eigene. Und mit einem Mal vergaß sie ihre Eifersucht gegenüber den exotischen Schönheiten. Ihr Herz öffnete sich bis zum Horizont für ihren neuen Freund.
»Ich werde euch helfen!«
Johannes sah sie prüfend an.
»Wir müssen vielleicht schon bald zusammen fort, weil ihr Vater sehr zornig werden könnte. Wenn er erfährt, dass sie von mir schwanger ist …«
Johannes machte erneut
Weitere Kostenlose Bücher