Tal der Tausend Nebel
Schwangerschaft beendet war, zumindest vorläufig. Sie nahm sich aber vor, das Thema so bald wie möglich erneut aufzugreifen. Sie hatte Johannes gegenüber bereits angedeutet, dass er unrecht hatte, was seine Vermutung betraf. Kelii und sie hatten hinter dem gläsernen Vorhang am Wasserfall vielleicht in den Augen Gottes gesündigt, weil sie nicht verheiratet sind. Aber Elisa ist vorsichtig gewesen. Sie würde von den Zärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten, bestimmt nicht schwanger werden. In der Bibliothek hatte sie sich in einem medizinischen Lexikon sorgfältig angesehen, was zwischen Mann und Frau in dieser Hinsicht gefährlich war. Nichts davon hatte sie zugelassen. Ihre Jungfräulichkeit, das hatte Elisa fest vor, würde sie im Einverständnis mit Gott ihrem Liebsten erst in ihrer Hochzeitsnacht schenken. Heiß stieg die Erinnerung an den leidenschaftlichen Morgen in ihr hoch, als sie Kelii und Johannes jetzt so vertraut vor ihren Augen miteinander reden sah. Beide Männer waren überdurchschnittlich groß, mehr als gut aussehend und hatten ein Lächeln, das Steine zum Schmelzen bringen konnte. Elisa konnte gut verstehen, dass Leilani nicht dazu imstande gewesen war, Johannes zu widerstehen. Ungefähr zwei Jahre älter als Elisa und schon so lange mit Johannes ein Paar, da wünschte sich Keliis Schwester vielleicht auch heimlich ein Kind von ihm. Bestimmt würde es ein sehr hübsches Kind werden, dachte sie noch, als Johannes sanfter Griff an ihrer Schulter sie aus ihren Gedanken riss.
»Was ist, Elisa, kommen Sie mit zum Felsen? Ich verspreche auch, dass ich auf Sie aufpassen werde.«
Kelii war gekommen, um sowohl Elisa als auch Johannes zu einem ganz besonderen Fest einzuladen. Das Vollmondfest, das in seinem Dorf bevorstand, war normalerweise nicht für Haole . Aber diesmal sollte es anders sein. Kelii und Leilani hatten sich für ihre Freunde eingesetzt. Daher waren sie jetzt über Kelii offiziell zum ersten Mal zu dem rituellen Fest bei Vollmond geladen. Johannes wirkte merkwürdig befangen, während er auf Elisas Antwort wartete.
Elisa nickte langsam, meldete aber gewisse Bedenken an, vor allem in Anbetracht der angespannten Lage wegen Noelanis Tod. Kelii nickte.
»Gerade deshalb wäre es wichtig, wenn ihr beide zu unserem Fest kommt. Wir vertrauen euch. Mein Vater möchte deinen Rat, Johannes.«
Johannes wagte es kaum, Kelii in die Augen zu sehen, doch Elisas Freund lächelte warm und offen und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Jetzt wirst du doch bald mein Bruder, oder?«
Johannes zögerte noch, aber da nahm Kelii ihn bereits in den Arm, so wie es unter den Männern seines Dorfes üblich war.
»Sprich einfach mit meinem Vater … zeig ihm dein Herz, so wie du es mir und Leilani gezeigt hast.«
Johannes nickte erleichtert, aber Elisa hatte kein gutes Gefühl, als Kelii sich kurz darauf verabschieden musste. Trotzdem versprach sie, auf alle Fälle mit Johannes zu dem Vollmondfest zu kommen.
»Wir sehen uns doch ohnehin heute Abend?«
Aber Kelii schüttelte den Kopf, und sie glaubte ein kurzes Flackern in seinen Augen zu bemerken, das ihr vorher noch nie aufgefallen war.
»Ich muss für ein paar Tage mit meinem Vater fort«, vertröstete er sie. Dinge seien geschehen, die es erforderten, dass sie sich mit anderen Kahuna treffen. Sie würden sich also erst beim Vollmondfest wiedersehen können. Elisa wollte etwas erwidern, nachfragen und vielleicht sogar protestieren, weil es für sie völlig ungewohnt war, dass Kelii so plötzlich seine Pläne änderte. Aber etwas in seinem Blick hielt sie davon ab. Jetzt wandte Kelii sich an Johannes.
»Leilani schickt dir ihren Gruß. Auch sie wird erst zum Vollmondfest zurück sein. Bis dahin musst du dich gedulden.«
Genauso leise wie er gekommen war, verschwand Kelii hinter dem roten Jasmin durch den Garten. Wie immer schien sein brauner Körper mit der Natur zu verschmelzen, als er vor dem Dunkel der dicht wachsenden Gummibäume eins mit der flimmernden Mittagshitze wurde.
Johannes sah ihm mit gerunzelter Stirn nach. Anstatt erleichtert zu sein, da Leilani sich ganz offensichtlich ihrem Bruder anvertraut hatte, war er beunruhigt.
»Was ist, wenn es nicht stimmt?«
»Wenn was nicht stimmt?«
Elisa wollte Zeit gewinnen. Sie musste nachdenken. Ganz offensichtlich stimmte hier etwas nicht. Kelii hatte sich Johannes gegenüber verstellt.
»Was ist, wenn Kelii und sein Vater Leilani von hier fortbringen, damit ich nicht mit ihr zusammen
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