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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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noch über sie.
    Janson lächelte breit, wobei er jetzt seine makellosen Zähne zeigte, die Elisa an einen undurchdringlichen Zaun erinnerten.
    »Ihr Onkel hatte sicherlich kein politisches Tischgespräch im Sinn, als er mir erlaubte, ein wenig Ihrer Zeit zu beanspruchen. Er schlug nach dem Abendessen einen Ausflug zur Blauen Grotte vor. Bei Vollmond soll die Grotte besonders eindrucksvoll sein. Er hat uns die Begleitung von Johannes van Ween vorgeschlagen, damit der Anstand gewahrt bleibt. Sie haben also nichts zu befürchten …«
    Elisa wich seinem bohrenden Blick aus, wagte es aber nicht, sofort abzulehnen. Es war immerhin der Vorschlag ihres Onkels. Auch hatte Johannes wohl bereits zugesagt, wie Elisa erfuhr, während sie gemeinsam zu Tisch gingen. Gerit überschlug sich vor Höflichkeit, als er ihr den Stuhl zurechtrückte.
    »Ich möchte Sie keineswegs drängen. So ein Ausflug ist nur sinnvoll, wenn Sie nicht zu müde sind, denn wir werden voraussichtlich erst im Morgengrauen zurück sein. Aber Johannes hatte uns beiden versichert, mit diesem Ausflug bei Ihnen den richtigen Nerv zu treffen.«
    Jetzt war Elisas Neugierde geweckt.
    »Dieser Ausflug mitten in der Nacht zur Blauen Grotte … das war Johannes Idee?«
    Er nickte und wies in Richtung der offenen Flügeltüren, die auf die Terrasse führten. Der Mond war immer noch fast voll. Sein bleiches Licht erhellte den Garten.
    »Diese Nacht werden Sie nie vergessen … glauben Sie mir! Das Mondlicht in der Blauen Grotte ist unvergesslich … Sie werden entzückt sein.«
    Die letzten Worte hatte er dicht an ihrem Ohr geflüstert. Elisa roch in seinem Atem Alkohol und Tabakrauch. Die feinen Härchen an ihrem Nacken stellten sich mit einem Anflug von Ekel auf. Sie starrte weiter in den Garten. Die Konturen der Büsche und Bäume im fahlen Mondlicht wirkten auf Elisa wie vor Schreck erstarrte menschliche Gestalten. Sie erschauerte. Ein plötzliches Gefühl von kaltem Grauen machte sich in ihr breit. Sie würde mit Johannes reden müssen. Was genau hatten die Männer hinter ihrem Rücken ausgemacht?
    Gerit gab nicht nach. Wartend verharrte er bei ihrem Stuhl.
    »Nun, was sagen Sie? Sind Sie einverstanden mit einem kleinen Nachtausflug zu dritt? Ihr Onkel meinte, dass Sie dieses Naturschauspiel immer schon sehen wollten …«
    Es stimmte. Allerdings wollte Elisa das berühmte Mondlicht in der Blauen Grotte mit Kelii sehen. Das Problem war nur, dass sie zu Fuß zu lange brauchten, um in einer Nacht dorthin und wieder zurück zu gelangen. Mit Jansons Kutsche hingegen würden sie den Weg viel schneller schaffen. Das Angebot war verlockend. Trotzdem hatte Elisa ein mulmiges Gefühl. Wenn sie es beschreiben würde, dann fühlte es sich ein wenig so an, als würde sie auf Treibsand rückwärts auf einen Abgrund zugehen.
    »Guten Abend, Elisa! Wie geht es Ihnen? Haben Sie sich von Ihrer Unpässlichkeit erholt? Sie sehen immer noch ein wenig blass aus … Was halten Sie von der Idee mit dem Ausflug?«
    Johannes sprach schnell, als er zu ihnen trat. Als sie sich förmlich die Hand gaben, fand Elisa, dass er derjenige war, der blass aussah. Aber bevor sie auf seine Worte etwas erwidern konnte, fuhr er bereits fort.
    »Ich habe Herrn Janson schon gesagt, dass Sie vielleicht noch nicht kräftig genug für einen nächtlichen Ausflug sind? Ihre Unpässlichkeit …«
    War da eine Warnung in Johannes Blick? Elisa war sich nicht ganz sicher. Zitterten seine Hände? Etwas war merkwürdig, aber Elisa kannte ihn noch nicht gut genug, um zu erkennen, was genau ihren neuen Freund bedrückte. Vielleicht war es immer noch Leilanis Verschwinden, das ihm zu schaffen machte.
    »Ach, Johannes, nun verunsichern Sie unser junges Fräulein doch nicht unnötig. So ein Ausflug zur Blauen Grotte, noch dazu mit edler Kutsche und in guter Begleitung … das wird einem nicht jeden Tag angeboten. Also, ich würde zusagen!«
    Elisas Mutter stimmte auch sofort dem alten Fried zu. Plötzlich beteiligte sich auch der restliche Tisch lebhaft. Bis auf Katharina, die nächtliche Ausflüge für junge Damen grundsätzlich unpassend fand, rieten alle Elisa dazu, das Angebot anzunehmen. Elisa aber wusste, was das bedeutete. Gerit Janson hatte an diesem Abend offiziell seinen Balztanz um Elisas Hand begonnen. Selbst Katharinas Einwand, der Schicklichkeit halber, war ein Scheingefecht. Alle Anwesenden, und wie es schien sogar Johannes, hatten nicht das geringste Problem damit, dass ein doppelt so alter Mann, noch

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