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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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dazu mit zweifelhaftem Ruf, offen um Elisa warb.
    Elisa seufzte tief, als sie in die Gesichter der zwanzig bei Tisch Versammelten sah, die sich erneut ihren jeweiligen Gesprächen zuwandten, da Elisa sich offensichtlich noch nicht entscheiden konnte. Gerit tätschelte fast väterlich ihre Hand.
    »Ich habe Sie überfallen, nicht wahr? Jetzt sind Sie sprachlos? Das wollte ich nicht … ich wollte Sie auch nicht in Verlegenheit bringen.«
    Elisa nickte stumm. Sie hätte es dabei belassen, wenn nicht ihr Onkel in diesem Moment quer über den Tisch gerufen hätte.
    »Nun sag schon, Elisa! Bist doch sonst nicht stumm wie ein Fisch. So ein Angebot kommt nicht jeden Tag um die Ecke. Morgen fährt Janson wieder …«
    Wieder waren alle Augen auf Elisa gerichtet. Sie versuchte ein Lächeln, aber ihr Gesicht fühlte sich an wie eine kalte Maske.
    »Sie haben natürlich recht, lieber Onkel, aber jetzt kann ich mich noch nicht entscheiden … mein Kopfweh die letzten Tage … auch wenn das Angebot sehr verlockend ist. Ich muss leider auch an meine Gesundheit denken.«
    Sie schickte ein knappes Lächeln in Richtung Janson, um ihm zu signalisieren, wie sehr sie sein Angebot schätzte.
    »Seien Sie mir deshalb bitte nicht gram, lieber Herr Janson, aber ich muss diese Entscheidung bis nach dem Dessert verschieben. Ich war dieser Tage gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe. Zudem müsste ich noch einmal mit meiner Mutter unter vier Augen reden … es ist nicht schicklich für eine junge Dame.«
    Bildete Elisa es sich ein, oder blitzten Jansons Augen erneut belustigt auf?
    »Was denken Sie denn, wer ich bin? Ich weiß doch, was sich bei einem so unschuldigen Mädchen wie Ihnen gehört!«
    Da war Spott in seinen Augen. Wollte Janson sie provozieren? Hatte er deshalb das Wort »unschuldig« derartig in die Länge gezogen?
    Janson fuhr fort, wobei er Elisa jetzt mit seinen Blicken förmlich bis auf den Grund ihrer Seele zu durchbohren schien.
    »Ihre verehrte Frau Mutter hat sich bereits vorhin mit dem Ausflug einverstanden erklärt, Fräulein Elisa. Sie hat mir aber auch gestanden, dass Sie schon längst nicht mehr jeden Ihrer Schritte überwachen kann, da Sie sehr … unabhängig seien.«
    Johannes vermied Elisas forschenden Blick, indem er sich mit knapper Verbeugung von ihrem Stuhl entfernte, um sich auf seinen Platz zu setzen.
    Elisa erschrak bei dem Gedanken, dass er vielleicht ihr Geheimnis verraten haben könnte. Doch dann beruhigte sie sich sofort. Warum sollte Johannes das tun? Er war ihr Freund, so wie sie seine Freundin war. Zudem hatte er selber mehr als genug Sorgen und brauchte Elisa als seine Verbündete. Nur kurz dauerte ihr mulmiges Gefühl, als sie sich an ihr Gespräch am Strand erinnerte. Johannes hatte sein Unverständnis über den Ernst ihrer Gefühle Kelii gegenüber ausgedrückt. Aber das hieß noch lange nicht, dass er sie auch verraten hatte.
    Dennoch begann Elisa, sich inmitten der fröhlichen Geburtstagsgesellschaft isoliert zu fühlen. Die Einsamkeit umfing sie wie ein schützender Kokon, in dessen innerem Kern nur Kelii war und seit zwei Tagen zudem ein Wesen, das Elisa noch nicht verstand. Maja.
    Das Einzige, was Elisa sofort spüren konnte, wenn sie an Maja dachte, war ein deutlicher Zugewinn an Kraft und Selbstsicherheit. So als wäre sie mit einem Mal nicht gar so schonungslos Jansons Blicken ausgeliefert. Deshalb stellte Elisa sich jetzt vor, dass Maja neben ihr sitzen würde. In ihr hätte sie eine Freundin, die jedes ihrer Gefühle würde teilen können. Das wusste Elisa, und diese Vorstellung half ihr, sich ein wenig zu entspannen.
    Auch im weiteren Verlauf des Abends konnte sie ihr Gegenüber Janson nur schwer deuten. Aber auch aus Johannes, der ein paar Stühle entfernt saß, wurde sie nicht klug. Es schien ihr, als würde er um jeden Preis vermeiden, dass ihre Blicke sich trafen. Was war inzwischen geschehen? Was hatte er erfahren? Erst wenige Tage waren vergangen, seitdem sie von Johannes am Strand Dinge gehört hatte, die ihre eigene Weltsicht grundlegend verändert hatten. Elisa hatte seitdem auch ihr letztes bisschen Vertrauen in ihren Onkel und ihre Tante verloren. In gewisser Weise hatte Elisa seit dem Gespräch mit Johannes aufgehört, unschuldig zu sein.
    Wenn sie ihre mit Schmuck behängte Tante Katharina ansah, die an diesem Abend ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag feierte, wusste sie, wie verlogen ihr Gerede von Schicklichkeit und Anstand war. Elisa musste nur an das Haus am Hafen

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