Tal der Traeume
passieren mögen. Es ist keine Entschuldigung dafür, dein Heim zu verlassen.« »Das stimmt, Zack. Wir beide betonen diese Seite des Stationslebens wohl zu sehr.« »Ich nicht, ich möchte nur verstehen, worum es dir eigentlich geht. Davonlaufen löst keine Probleme. Du musst mir schon sagen, was dir nicht gefällt.« »Bitte, ich habe es dir doch schon so oft gesagt. Ich möchte künftig in einer Stadt leben. Ich sehe nicht ein, weshalb das so schwer zu verstehen sein sollte. Es geht mir nicht gut, und ich bin ständig in dieser schwermütigen Verfassung. Ich halte es einfach nicht mehr aus, ich muss fort.« »Und darum willst du mich verlassen? Falls unsere Beziehung zu Ende sein sollte, kann ich das akzeptieren, aber du musst mir die Wahrheit sagen. Sag es einfach, dann wäre dieser Punkt ein für alle Mal geklärt.« »Ich kann es aber nicht sagen, weil ich dich liebe. Die Station ist dein Leben. Ich weiß, ich verhalte mich egoistisch, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.« Er stand auf und sah wütend auf sie hinab. »Du bist wirklich egoistisch. Verdammt egoistisch. Und dumm dazu! Ach, mach doch, was du willst!« Er stürmte über den Strand davon. Sibell hielt ihn nicht zurück. Sie war tief erschüttert; sein Zorn, den sie früher selten zu spüren bekommen hatte, ängstigte sie. Sie fragte sich, ob ihre Entscheidung den ganzen Kummer lohnte, aber sie war fest entschlossen. Sie musste gehen, bevor diese elende Schwermut noch schlimmer wurde.
Harriet führte Sibell zu Yorkey hinein. »Er ist ziemlich ungeduldig«, sagte sie. »Offensichtlich ist er es nicht gewöhnt, untätig zu sein.« »Welcher Mann wäre das schon?«, fragte Sibell lächelnd. »Sie alle betrachten ein Krankenzimmer als Gefängnis. Wie geht es ihm?« »Komm mit. Sein Arm ist eingegipst, er hat einen Schneidezahn verloren, und sein Gesicht ist noch angeschwollen, aber du solltest dir keine Sorgen machen. Der Arzt sagt, er sähe schlimmer aus, als es ist. Seine Nieren haben auch etwas abbekommen, deshalb soll er noch liegen. Ruhe scheint die beste Medizin zu sein.« Sibell freute sich, dass jemand die Mühe unternommen hatte, Yorkeys Lagerraum nett herzurichten. Auf dem Boden lag eine große Matte, am Fenster war ein Rouleau angebracht, und neben seinem Bett standen unter einem Moskitonetz ein Wasserkrug und Medikamente. Was Yorkeys Aussehen betraf, hatte Harriet Recht gehabt: Sein Gesicht sah schlimm aus, wenn auch besser als auf dem Bahnhof. »Besuch für dich«, sagte Harriet fröhlich. Yorkey, der flach auf dem Bett gelegen hatte, wandte mühsam den Kopf und stöhnte. Dann erkannte er Sibell. »Tut mir Leid, Missus.« »Was tut dir Leid?« »Dass ich weggelaufen bin«, murmelte er mit geschwollenen Lippen. »Hier, Sibell, nimm den Stuhl. Ich lasse euch jetzt allein.« »Danke«, sagte Sibell und setzte sich. »Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, Yorkey. Ich dachte, es täte dir Leid, dass du das Haus niedergebrannt hast.« Er presste die Lippen aufeinander. Zu diesem Thema hatte er nichts zu sagen. »Yorkey, ich interessiere mich für deinen Namen«, fuhr sie fort. »Hoffentlich hast du nichts dagegen, wenn ich dich frage, ob du mit einem Mann namens Jimmy Moon verwandt bist. Er war ein Freund von mir und ist vor langer Zeit gestorben.« »Sie haben ihn gehängt«, knurrte Yorkey. »Ja, es war furchtbar.« »Er war mein Vater.« Sibell sah den Schmerz in seinen Augen und nickte. »Das dachte ich mir. Du hättest es uns sagen sollen, damit hättest du dir viel Ärger erspart. Ich nehme an, du hast erfahren, dass Syd Walsh zu dem Suchtrupp gehörte?« »Ja.« »Verstehe. Aber du kannst nicht alt genug sein, um dich an deinen Vater zu erinnern, Yorkey. Wer hat dir von ihm erzählt? Deine Mutter?« »Ja.« Sibell wollte ihn nicht überanstrengen, doch eine wichtige Frage musste sie noch stellen. Ihres Wissens war Jimmy Moon nämlich als unverheirateter Mann gestorben. »Wo hat deine Mutter gelebt?« »Auf Black Wattle«, erwiderte er fest. Trotz ihrer guten Absichten musste Sibell ihm einfach widersprechen. »O nein, das kann nicht stimmen. Auf unserer Station? Ich hätte sie doch gekannt, Yorkey.« Er drehte sich auf die Seite und sah ihr ins Gesicht. »Haben Sie auch, Missus. Sie hat für Sie gearbeitet. Erinnern Sie sich an Netta?« Sibell lehnte sich überrascht nach hinten. »Netta, du lieber Himmel! Natürlich habe ich Netta gekannt, sie war damals bei uns. Und Netta ist deine Mutter?« »Sie lebt nicht
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