Tal der Traeume
durch.« »O nein«, stöhnte er, »o nein«. »Wolltest du nicht etwas über den Kleinen wissen?« »Ja«, sagte er geistesabwesend, tief bekümmert über ihre Haltung. »Sie haben ihn nach Darwin gebracht. In eine Missionsschule, angeblich die beste im Territorium. Er wird es gut haben. Sag Mimimiadie, er soll sich keine Sorgen mehr um ihn machen.«
Numinga ließ das Pferd einige Tage auf einer abgelegenen Viehstation rasten, bevor er den langen Heimweg antrat. Er ritt querfeldein und ließ sich Zeit, da er es nicht eilig hatte, die schlechten Neuigkeiten zu überbringen. Im offenen Gelände mit den vereinzelten Eukalyptusbäumen und Akazien entdeckte er zu seiner Freude winzige grüne Schösslinge, die aus der Erde spähten. Hoffentlich kam der Regen, bevor sie verwelkten, dann würden hier neue Weiden entstehen und wenigstens einige der ausgemergelten Rinder retten, die hungrig in die Gegend starrten. Er wusste, dass Mimimiadie und seine Gefährten ihn von weitem entdecken würden, und war nicht überrascht, als die beiden auf dem felsigen Terrain bei der Schlucht plötzlich vor ihm auftauchten. Sein Pferd jedoch scheute, wobei es seinen Reiter abwarf. Mimimiadie konnte es gar nicht erwarten. »Hast du Boomi gefunden?« Numinga ließ ihn zappeln. Er beruhigte zunächst das Pferd, gab ihm ein Stück von einem Apfel und reichte Mimimiadie die andere Hälfte, um ihn gnädig zu stimmen. »Wir setzen uns hin und reden«, sagte er zu den Männern. Mimimiadie verschlang den Apfel mit wachsamem Blick und hörte aufmerksam zu, als Numinga die Lage schilderte. »Wir können keinen Überfall in Darwin wagen«, sagte er. »Es ist eine große Stadt mit vielen Leuten und Polizisten. Ich war noch nie da, habe aber davon gehört. Sie haben auch ein großes Gefängnis voll mit Schwarzen.« Er wollte es sich nicht mit Mimimiadie verderben, musste ihm aber den Plan eines Überfalls um jeden Preis ausreden. Mimimiadie schien erfreut, immerhin vom Verbleib seines Sohnes erfahren zu haben.
Er beschloss, nach oben zu klettern und sich mit Garradji zu beraten. Während sie das Plateau erstiegen, musste Numinga einen riesigen Umweg machen, bis er einen Weg fand, auf dem er das Pferd hinaufführen konnte. Es lohnte aber die Mühe. Weiter oben hatte es geregnet, die Büsche waren zu neuem Leben erwacht, die dünne Erdschicht war grün gefleckt, und in Vertiefungen stand kristallklares Wasser. Das Pferd trank gierig. Oben fand eine Besprechung statt, und als sich alle Augen auf den Neuankömmling richteten, beschlich Numinga das unangenehme Gefühl, Teil eines neuen Planes zu sein. Diesmal erklärte ihm Gopiny, worum es ging. Er sollte zu Fuß und bei Nacht zur Mission nach Darwin marschieren, die unschwer an ihrem Kreuz zu erkennen war, Boomi schnappen, wenn nötig die Missionare töten und eilends die Stadt verlassen. An der langen Straße würden ihn Gopiny und zwei andere Krieger, die bereits zu ihnen gestoßen waren, erwarten. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er ihnen erklärt hatte, dass Darwin nicht Pine Creek war. Dort gab es zahlreiche Straßen und ungeheuer viele Menschen. »Selbst wenn wir Boomi befreiten«, sagte er mit der Betonung auf »wir«, »würden sie uns einen bewaffneten Suchtrupp hinterherschicken, der uns stellt…« Mimimiadie erhob sich. »Warte. Genug von diesem Plan, er überlässt zu Vieles dem Zufall. Mein Junge könnte dabei in Gefahr geraten. Ich habe die Lösung. Ich hätte längst darauf kommen sollen.« Er trat an den Rand des Plateaus und schaute in die Schlucht hinunter. »Sie werden mir meinen Sohn bringen«, rief er wild. »Sie werden ihn mir bringen.« »Was hast du nun wieder vor?«, fragte Numinga. »Noch einen Erdrutsch auslösen?« »Nein. Ich mache das Gleiche wie sie. Warten und beobachten.«
Das taten sie mehrere Tage lang. Ein halbes Dutzend Reiter durchquerte gemeinsam die Schlucht. Eine Gruppe von Aborigines wanderte hindurch, einen Tag darauf fuhr ein Paar in einem Federwagen durch, das, von mehreren berittenen Wachen begleitet, aus der anderen Richtung kam und nach Pine Creek zu wollen schien. Zurzeit reisten nur wenige Leute in die andere Richtung. Sie warfen neugierige Blicke auf Mimimiadie, der sie nicht in seinen Plan eingeweiht hatte; er benötigte nur einen Wachposten tagsüber und die Nachricht, wer aus welcher Richtung durch die Schlucht kam. Schließlich erspähte Gopiny zwei Reiter, die von Osten, also aus Pine Creek, kamen. »Ja!«, brüllte Mimimiadie. »Die will
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