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Tal der Traeume

Titel: Tal der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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ganz schwindlig, wenn sie ihn ansah. Er erinnerte sie an einen Schauspieler, der im Lyceum Theatre in »Was ihr wollt« aufgetreten und von dem sie förmlich hingerissen gewesen war. Die fröhliche Gesellschaft begab sich ins Speisezimmer. Merle wünschte, sie hätte ihre verwitwete Freundin Anna eingeladen, damit sie diesen Adonis erleben könnte, diesen heiteren jungen Mann, frisch aus der Wildnis des Nordens. Dann wäre das Verhältnis der Geschlechter bei Tisch ausgeglichen gewesen.
    Während ihr Ehemann das Tischgebet sprach, fingerte Mr. Oatley an seiner Serviette herum und warf einen Blick zu ihrem neuen Kronleuchter hinauf, einem kleinen allerdings, da er das Speisezimmer mit seinen eher bescheidenen Ausmaßen nicht erdrücken durfte. Und dann geschah es. Noch bevor Merles Spezialität, eine Austernsuppe, deren Rezept sie von ihrer Mutter geerbt hatte, aufgetragen wurde, verkündete Mr. Oatley den Grund für ihren Besuch in Perth. Myles würde von hier aus zu einem längeren Aufenthalt in London aufbrechen… »Und den anderen großartigen Städten da drüben«, strahlte er. »Dessen kannst du sicher sein«, meinte Myles grinsend, »ich habe nicht vor, irgendetwas zu verpassen.« »Wie herrlich« sagte Harriet, anstatt zu kokettieren, zu flirten, etwas zu unternehmen, um ihn in Perth zu halten. Schon wieder lief alles falsch. Merle war so verzweifelt, dass sie kaum hörte, wie Vater und Sohn ihre Suppe lobten. Myles berichtete danach Mr. Cunningham von der geplanten Tour in ferne Länder, und Harriet… tat schon wieder das Falsche. Sie hörte Mr. Oatley zu, der von seiner eigenen Weltreise berichtete und die Orte aufzählte, die Myles sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Myles, der mit den Reichtümern seines Vaters im Rücken problemlos eine Herzogin oder Gräfin becircen konnte. Oatleys Sohn, der ihre Tochter tatsächlich um Haupteslänge überragte. Sie hatte im Geiste schon geplant, was sie Anna sagen wollte. »Miss Hochnäsig hatte diesmal keine Chance, auf Myles hinunterzuschauen. Er misst fast einen Meter neunzig. Das wird sie auf ihren Platz verweisen.« Wie betäubt ging Merle ihren Pflichten als Gastgeberin nach und nahm die Komplimente für das Essen entgegen. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um Seereisen. Sie hoffte auf ein Wunder, doch es sollte noch schlimmer kommen. Nach dem Essen verabschiedete sich Myles unter höflichen Entschuldigungen. »Vergeben Sie mir, Mrs. Cunningham, aber ich habe so wenig Zeit. Es gibt Leute, die ich aufsuchen muss. Mein Vater wird Sie für meine Abwesenheit gewiss mehr als entschädigen. Aber auf mein Wort, ich habe selten eine Mahlzeit so genossen, vor allem dank der exquisiten Gesellschaft.« Und weg war er. Mit einem flüchtigen Lebewohl für Harriet, einem warmen Händedruck für Mr. Cunningham und der scherzhaften Bitte, seinen alten Herrn im Auge zu behalten. Merle war froh, dass sie Anna nicht eingeladen hatte.
     
    »Ich wünschte, ich könnte auch allein nach England fahren«, sagte Harriet. »Das wäre herrlich.« Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie du auf solche Ideen kommst. Damen reisen nicht allein. Außerdem soll es dort kalt und ungemütlich sein, den ganzen Tag nur Nebel. Einfach schrecklich.« »Immerhin eine Abwechslung, besser als hier. Perth ist so langweilig.« »Es wäre weniger langweilig, wenn du mehr unternehmen würdest.« »Ich spiele Tennis.« »Aber du gehst nie auf Bälle.« »Dazu braucht man einen Partner, Mutter.« »Du könntest welche haben, wenn du nicht so wählerisch wärst. Nun, dein Vater und ich fahren nach Fremantle, um uns am Schiff von Myles zu verabschieden. Kommst du mit?« »Vielleicht.« »Brich dir bloß keinen Zacken aus der Krone!«, fauchte ihre Mutter, doch Harriet beachtete sie nicht. Sie litt noch unter der peinlichen Dinnerparty.
    Myles musste dank der anbiedernden Bemerkungen ihrer Mutter begriffen haben, dass seine Gastgeberin einen Kuppelversuch unternahm, folglich war Harriet nicht allzu erpicht darauf, am Hafen ihr Taschentuch zu schwenken. Er hatte seiner Gastgeberin das angemessene Dankesschreiben geschickt, doch ansonsten hatten die Cunninghams nichts mehr von ihm gehört. Schlimmer noch, er und sein Vater wohnten im luxuriösen Palace Hotel, wo er auch am vergangenen Abend seine Abschiedsparty gegeben hatte, von der die ganze Stadt sprach. Mehrere junge Leute aus ihrem Bekanntenkreis waren dort gewesen, aber Harriets Name stand offensichtlich nicht auf der

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