Tal der Träume
»Wird ungemütlich für ihn. Was ist denn los?«
»Er hat meine Frau beleidigt. Sie im Tennisklub vor den Kopf gestoßen, und das vor aller Augen.«
»Verstehe.« Leo nickte und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Er ließ sich die Konsequenzen von Williams Edikt durch den Kopf gehen. Es würde sich bald herumsprechen, dass Oatley Forrest aus nicht genannten Gründen kaltgestellt hatte. Schon das allein würde Anlass zu wilden Spekulationen über die mögliche Ursache geben.
Er grinste. Forrest würde vielleicht Seine Exzellenz als einzigen Klienten behalten. Leo empfand Mitgefühl für Harriet, da er selbst schon Opfer von Forrests herablassender Art geworden war. Der Kerl behandelte ihn stets wie Dreck und weigerte sich, mit einem einfachen Angestellten über geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen, selbst wenn Leo auf Williams ausdrückliche Anweisung handelte. Schon oft hatte er sich darüber bei William beklagt.
»Aber diesmal hast du dir den Falschen ausgesucht, mein Guter«, meinte er lächelnd und wandte sich wieder seinen Büchern zu.
William zeigte Harriet die Nachricht nach dem Abendessen. Sie errötete, als sie die spinnenbeinige Handschrift las.
Lieber Mr. Oatley,
während Sie weg waren, hat Ihre Frau ganz schön auf die Pauke gehauen. Sie und Captain Cornford sind ein echter Skandal. Sie hat ihn abends in Ihr Haus gelotst und Orgien gefeiert.
Ein Freund
»Das ist nicht wahr«, schrie Harriet. »Du weißt, dass es nicht stimmt. Ich habe dir genau erzählt, was bei meiner Dinnerparty passiert ist. Ich war einsam, wollte mich nur ablenken. Und Billy Chinn und Tom Ling waren die ganze Zeit im Haus. Christy ist nicht einmal zum Kaffee geblieben, sondern sofort nach dem Essen gegangen.«
William lächelte. »Bei dem ihr genug gegessen habt, um Billy glücklich zu machen, wie mir scheint.«
»Das stimmt. Wer hat bloß dieses schreckliche Ding geschrieben?«
»Keine Ahnung. Ich nehme an, die Handschrift ist dir unbekannt.«
»Ja.«
Er entzündete ein Streichholz und verbrannte die beleidigende Notiz. »Wir werden es vergessen. Dennoch war ich der Ansicht, du solltest es lesen. Damen müssen ihren guten Ruf wahren, vor allem, wenn es um Männer wie Cornford geht. Er gilt als Wüstling.«
»Aber wirklich! Mir ist er immer ausgesprochen höflich begegnet.«
»Dennoch ist er kein vertrauenswürdiger Mensch, Harriet. Jedenfalls nicht, was das Geschäftliche angeht, das steht fest. Andererseits hat er vielleicht ganz harmlos das Abendessen gerühmt, das er hier genossen hat …«
»Und wenn schon? Billy und Tom haben sich solche Mühe gegeben.«
»Sicher, aber die Leute zählen zwei und zwei zusammen und kommen dabei zu einem falschen Ergebnis. Ihr spielt oft zusammen Tennis, sagst du?«
»Ja.«
»Na ja, vielleicht ist jemand eifersüchtig. Kleinstädte können manchmal furchtbar sein.«
»In der Tat. Du hättest mich nach Warrawee mitnehmen sollen.«
»Hätte ich gewusst, dass es so lange dauern würde, hätte ich eine Begleitung für dich organisiert. Es tut mir Leid, Liebste.«
Harriet zuckte mit den Schultern. »Egal, aber ich bin froh, dass du wieder hier bist. Wie gut, dass wir endlich wissen, wo Myles sich aufhält. Ich freue mich schon so darauf, ihn zu Hause zu begrüßen.«
Ihr Ehemann wünschte, sie hätte das nicht gesagt, denn ihre Worte erinnerten ihn an ein weiteres ungelöstes Problem. Er zündete seine Pfeife an und schlenderte in den Vorgarten hinaus. Noch immer hatte Myles Harriet in seinen Briefen nicht als die Frau seines Vaters anerkannt. Er würde ihn ins Gebet nehmen; sein Sohn musste den Tatsachen ins Auge sehen und Harriet mit dem ihr zustehenden Respekt begegnen.
Und wenn nicht? Er könnte Myles geradewegs nach Warrawee schicken, doch er war immerhin sein Sohn, den er so sehr vermisst hatte. Er konnte es gar nicht erwarten, mit ihm zu reden, ihn einfach in seiner Nähe zu haben. Vor ihnen lagen noch viele Jahre, ein Bruch zwischen Vater und Sohn schien undenkbar. Nein, es gab nur die eine Möglichkeit. Er würde ihm ins Gewissen reden, ihn notfalls auch anflehen, die Frau seines Vaters zu akzeptieren. Wenn er sah, wie gut sie sich verstanden, wie glücklich ihr Leben verlief und wie sehr sie sich beide über seine Heimkehr freuten, würde Myles sicher nachgeben. William seufzte. Es gab nur drei Menschen auf dieser Welt, die er über alles liebte: seinen Pop, der um sein Leben kämpfte, seinen Sohn, der ihn mit seiner hartnäckigen Ablehnung quälte,
Weitere Kostenlose Bücher