Tal ohne Sonne
und nicht vielmehr ein Abenteurer, der sich mit einer Soutane getarnt hatte. »Welchen Beitrag kann Ihr Orden zu der Expedition leisten?«
»Gottes Wort und Segen.«
»Das ist unbezahlbar, zugegeben. Aber Dollar wären uns lieber.«
»Wir stiften ein Tonbandgerät, eine Polaroidkamera und einen Zauberkasten.«
»Einen was?«
»Zauberkasten. Sie kennen doch so etwas, Sir Anthony. Eine Sammlung von kleinen Zauberkunststückchen. Außerdem bin ich ein guter Amateurzauberer.« Pater Lucius griff in seine Soutane, holte eine Münze hervor und zeigte sie dem General. »Sie haben eine Stimme, als hätten Sie einen Schnupfen. Das kommt aber nur davon, daß Ihre Nase verstopft ist. Ich werde sie freimachen.« Er berührte blitzschnell Sir Anthonys Nasenrücken und drückte ihn, und bei jedem Druck fiel eine Münze in Pater Lucius' Handfläche. Es klirrte und klingelte. Nach der zehnten Münze hielt der Pater inne und hielt Lambs seine mit Münzen gefüllte Hand unter die Augen. »Ist das ein Wunder, Sir Anthony? Wenn Sie die Nase voller Geld haben, können Sie doch nicht frei atmen. Jetzt sprechen Sie nicht mehr, als hätten Sie einen Schnupfen.«
»Phänomenal!« Der General faßte an seine Nase und zog daran. »Machen Sie weiter, Pater, damit schließen wir unsere Finanzlücke.«
Sie lachten laut, und damit war eine Freundschaft geboren.
Wieder zehn Tage später waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Das große Abenteuer konnte beginnen. Der Plan Sir Anthonys, die Expedition spätestens in Kopago enden zu lassen, war durch eine ganz einfache Handlung von Leonora Patrik verhindert worden: Sie hatte ein Privatflugzeug gechartert, eine alte, aber genügend große Maschine, die alle Expeditionsteilnehmer und auch das Gepäck aufnehmen konnte. Geflogen wurde sie von Donald Zynaker, einem amerikanischen Piloten, der seit neun Jahren über Papua-Neuguinea flog, einem typischen Buschpiloten, den nichts erschüttern konnte.
»Miss Patrik«, hatte Zynaker zu Leonora gesagt, als sie ihn und sein Flugzeug charterte, »ich kenne die Gegend, in die Sie wollen. Die Papuas nennen sie ›Tal ohne Sonne‹. In die engen Urwaldschluchten kommt kaum ein Sonnenstrahl, und wenn, dann beginnt das Tal zu dampfen, Nebel steigen hoch, nasses Schweigen deckt alles zu. Ich bin immer froh, wenn ich aus dieser Gegend weg bin oder sie nicht zu überfliegen brauche. Und wenn, dann in großer Höhe.«
»Wir aber müssen hinunter, Donald. Ins Tal hinein und dann mit Fallschirmen abspringen.«
»Ob das gelingt?« Zynaker kratzte sich die Nase. »Ich will's versuchen.«
Zynaker war ein Typ, dem man aus dem Weg ging, wenn er einem begegnete. Die dicken buschigen Augenbrauen, die Boxernase, das Wiegen in den Schultern beim Gehen, die tellergroßen Hände und das kurzgestutzte dunkelbraune Haar ließen jeden darauf schließen, daß es angebracht sei, mit dieser Kampfmaschine nicht näher in Berührung zu kommen. Nur wer Zynaker besser kannte, wußte, daß der gute Donald zwar ein harter Bursche, sonst aber ein seelenguter Mensch war, ein Kerl, auf den man sich verlassen konnte, wenn man ihm einmal die Hand gedrückt hatte. Seine Ehe war in die Brüche gegangen in den Tagen, als seine erste Maschine, eine sechssitzige Piper, eine Bruchlandung im Sepikgebiet machte, er als vermißt galt, nach zwei Monaten wieder auf einer Mission auftauchte und, ohne Nachricht zu geben, nach Port Moresby zurückkehrte. Morgens um sechs schloß er seine Wohnung auf, tappte auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer und fand sein Bett mit einem blonden Jüngling besetzt. Mabel – das war Zynakers Frau – lag mit dem Kopf an des Blonden Schulter, beide schliefen selig, und natürlich waren beide auch nackt.
Zynaker tat darauf drei Dinge, die in ganz Port Moresby bekannt wurden und für wochenlange Unterhaltung sorgten: Er holte mit seinen Riesenhänden den blonden Jüngling und seine Mabel aus dem Bett, gab dem Liebhaber eine Ohrfeige, die ihn halb betäubte, schüttelte die kreischende Mabel wie einen Cocktailmixer, band die beiden Nackten mit Stricken zusammen, Vorderseite auf Vorderseite, so wie es für Liebende normal ist, trug das nackte Paket auf seiner Schulter hinaus zur Garage, warf sie in den Wagen und fuhr mit ihnen mitten in die Altstadt. Dort, auf dem Platz vor dem Papua-Jachtclub, holte er sie heraus, band die vor Entsetzen Stummen an eine Palme und fuhr dann zu seiner Wohnung zurück.
So etwas in Port Moresby! Die Zeitungen brachten Fotos der
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