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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gerechnet werden, daß Mr. Patrik und Mr. Grant das gleiche Schicksal ereilt hat wie ihre Vorgänger. Sie werden nie wieder auftauchen.« Und dann eine ganz und gar persönliche Meinung des Berichterstatters: »Es ist ein verfluchtes Land!«
    Leonora klappte das Berichtsbuch zu und starrte eine Weile stumm gegen die Wand ihres Zimmers. Sie haben aus der Luft gesucht, dachte sie. Sie haben es nicht gewagt, in den Urwäldern zu suchen. Was unter den Wipfeln der über dreißig Meter hohen Bäume geschah und auch jetzt geschieht, hat noch niemand erforscht. Warum nicht? In unserem hochtechnisierten Zeitalter muß es doch möglich sein, ein Stück Land – auch wenn es unbekannt ist – zu betreten und zu erforschen. Zum Mond können wir fliegen, vom Mars und Jupiter funken wir Fotos zur Erde, Hunderte von Satelliten umkreisen unsere Welt, aber vor Urwald, Bergen und Sümpfen zucken wir zurück. Ist das nicht lächerlich? Aber wen interessiert schon dieses Gebiet? Es bringt nichts ein, und warum ein Land mit Millionenbeträgen kultivieren, wenn es dort nur Holz, Felsen und wilde Wasser gibt? Ja, wenn man wüßte, daß dort Bodenschätze liegen, Gold und Kupfer, Uran oder Erdöl, dann würde man sich überlegen, wie man dieses Land erschließen könnte. Aber die Geologen sagen: »Da ist nichts. Die erdgeschichtlichen Formationen sagen nichts aus.« Wozu also Millionen investieren? – Und die Toten? Die Vermißten? Was ist mit denen? Was soll schon sein! Sie brachen auf eigene Verantwortung in diese Wildnis ein, gegen alle Warnungen. Begeisterte Selbstmörder, die man nicht zurückhalten konnte. Auch sie sind keine Millionen wert. Wer in die Gefahr hineinrennt, muß damit rechnen, in ihr umzukommen.
    »Ich weiß, daß ich dich finden werde, Vater«, sagte Leonora plötzlich laut. »Ich bin deine Tochter, ich kann mich in dich hineindenken, und ich weiß, wo ich dich suchen muß!«
    Lieutenant Wepper sah Leonora fragend an, als sie ihm die Berichtsbücher zurückbrachte. Er schloß sie wieder in den Stahlschrank ein. Als sie kein Wort sagte, rückte er doch mit der Frage heraus: »Macht Sie das nicht ein wenig nachdenklich, Miss Patrik?«
    »Nein. Nur mutiger, Lieutenant. Aus allem lese ich, daß der damalige District Commander versagt hat. Blicken Sie mich nicht so vorwurfsvoll an – in zwei Tagen sind Sie mich los und können ins Buch eintragen: Es war unmöglich, Miss Patrik an der Ausführung ihres Planes zu hindern.«
    »Und ich würde zu gerne schreiben: Miss Patrik ist heute aus den ›Tälern ohne Sonne‹ wohlbehalten zurückgekehrt.«
    Sie lachte – es klang ein wenig gequält – und verließ das Büro der Polizeistation. Auf dem Platz vor dem Gebäude traf sie Samuel, der in ein erregtes Gespräch mit Papuas verwickelt war, die auf der Station arbeiteten, normale Kleidung trugen und Christen geworden waren. Daß Samuel jetzt wie ein Halbwilder herumlief, erregte ihr Erstaunen.
    Als er Leonora aus dem Distriktsgebäude kommen sah, löste er sich aus dem Kreis seiner Landsleute und rannte auf sie zu. »Massa«, rief er und fuchtelte mit den Armen wild durch die Luft, »Massa, die Duna-Leute sagen, in den Bergen lebe der Gott des Donners und der Blitze. Wenn er die Hand hebt, spaltet sich der Himmel. Er streckt einen Finger aus, und die Affen fallen tot von den Bäumen. Massa, er regiert genau in dem Tal, zu dem wir wollen. Massa, seine Blitze werden uns erschlagen.«
    »Das sagst du, der an den einzigen wahren Gott glaubt? Samuel, du weißt doch: Es gibt keine anderen Götter.«
    »Das sagen die Patres, Massa.«
    »Aber du glaubst das nicht?«
    »Die Duna-Leute sagen: Man hat den Donnergott gesehen. Männer aus den Tälern haben ihm Opfer gebracht.«
    »Es leben also Menschen in diesen Wäldern?« Leonora spürte, wie sich eine Klammer um ihr Herz legte.
    »Sie sagen: Kleine braune Menschen mit gelb und rot bemalten Gesichtern und Ketten aus Knochen und Zähnen hätten einmal Schweine der Missionare gestohlen. Zwei hat man gefangen, bevor sie in den Tälern verschwanden. Sie haben das alles erzählt. Als die Patres ihnen Hosen und Hemden gaben und ihre bemalten Gesichter abwaschen wollten, haben sie sich die eigenen Giftpfeile in die Brust gestoßen und waren nach fünf Minuten tot. Sie haben auch erzählt, daß einer ihrer Krieger, der zu nahe herankam, von dem Donnergott mit dem Finger durchbohrt wurde. Er fiel um und hatte ein Loch im Kopf.« Durch Leonora zuckte es wie ein elektrischer Schlag. Mein Gott,

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