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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gleichgültig, ob es die Uma oder Pogwa waren, die Assari oder die Tomba – die Baumtrommeln hatten das Ereignis sofort weitergegeben, und wenn ihn Dai Puino auch nicht gesehen hatte, so mußte er doch etwas von ihm wissen.
    Eine einzige Spur genügte, ein vager Hinweis, und man hatte einen Faden gefunden, den man aufspulen konnte. Irgendwo war er dann zu Ende, und das Geheimnis enträtselte sich.
    Nach zwei Stunden des Herumhockens hielt es Leonora nicht mehr im Frauenhaus aus. Sie lauschte zu den anderen Räumen hinüber, kroch dann zum Ausgang und streckte den Kopf ins Freie. Eine unbeschreibliche Sehnsucht nach Zynaker überfiel sie plötzlich. Sie sehnte sich nach seinen Händen, seinem Streicheln, seinen Lippen, seinen geflüsterten Worten, seinem muskulösen Leib, der sich an ihren Leib drückte und das Gefühl der Verschmelzung über sie schwemmte. Nur jetzt seine Stimme hören, nur seine Stimme, weiter nichts, das genügte schon. Mit jedem Wort fühlte sie, wie sie in sie eindrang, der Klang seiner Stimme umarmte sie, und wenn sie die Augen schloß, ihn im Inneren hörte, zog eine Seligkeit durch sie, und ihr Körper wurde von Schauern durchzittert, die sich an den Innenseiten ihrer Schenkel festsetzten, bis sie vor Verlangen zu brennen schienen.
    Ich bin verrückt, sagte sie zu sich. Ich bin wahnsinnig. Du bist nie ein scheues Reh gewesen, das vor den Gefühlen wegrannte. Da war im ersten Semester auf der Universität von Kalifornien Jack gewesen, der beste Baseballspieler der Studentenmannschaft, und sie hatte sich beim ersten Anblick sofort in ihn verliebt. Ein Jahr lang liebten sie einander, da sah sie Edward, den jungen Studenten der Literatur, und der Sturz in dieses Abenteuer war wie das Hineinlaufen in die Wellen des Meeres. Sie hatte es nie bereut, so wenig, wie sie die Liebschaften mit Joe, Teddy und Charles bereut hatte, sie hatte oft geglaubt, nun wirklich glücklich zu sein und es gebe nichts Größeres als diese Lieben. Und nun war Donald Zynaker in ihr Leben getreten, und alles, alles war plötzlich anders.
    Verwundert, selig und doch erschrocken begriff sie, daß alle Vergangenheit ein Spiel wie mit einem großen Ball gewesen war, den man hin- und herwirft, auffängt und zurückwirft, und dann ist das Spiel plötzlich vorbei, man legt den bunten Ball zur Seite und fühlt sich im Inneren doch etwas leer, zurückgelassen in einer Sehnsucht, die man sich nicht erklären kann, fern einer Seligkeit, die man nicht kennt, aber von der man weiß, daß es sie gibt.
    Als Donald sie zum erstenmal, unbeabsichtigt, berührte, als er sie mit seinen blauen Augen kurz, aber durchdringend anblickte, als er das erste Wort zu ihr sprach, war es ihr, als habe ihr Herz eine Tür, die plötzlich weit aufsprang. Und es war ein ganz anderes Gefühl als bei Jack oder Edward und den anderen. Sie kroch in sich zusammen, begann zu frieren, lag in den Nächten wach, die Hände auf ihren Brüsten oder auf ihrem Leib, und träumte, es seien seine Hände, die über ihren Körper glitten und jede Pore mit Sehnsucht füllten. Plötzlich war es da, das Wissen, daß Liebe aus einem Himmel fallen und in einen Himmel tragen kann, daß ein Mensch vollkommen in einem anderen Menschen aufgehen kann, eine Einheit, die nie mehr eine Zweiheit werden kann.
    Sie wußte und fühlte das alles in höchster Klarheit weit vor der Nacht, in der sie im Zelt zum erstenmal seinen Leib spürte, seine ihren Körper abtastenden Küsse, seine weichen und doch festen Hände und seine in der Erfüllung hauchende Stimme: »Ich liebe dich, mein Engelchen …«
    Von dieser alles Bisherige zu Asche verwandelnden Minute an wußte sie, daß ihre Welt nur noch aus Donald bestand und alles andere um sie herum zu Randerscheinungen verwehte. Sie hatte es gefunden, das geahnte, unaussprechliche, mit dem Verstand nicht erfaßbare, unendliche Glück.
    »Mein Engelchen«, wenn er das sagte, war sie nichts mehr als Liebe, nur noch Liebe …
    Eine ganze Weile saß sie in der Tür des Frauenhauses und blickte in die schwarze Nacht. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Finsternis, schemenhaft schälten sich Formen heraus: die Leiter hinunter zur Erde, links das langgestreckte, spitze, wellige Dach des ersten Männerhauses, die Dächer der ebenerdigen Hütten, in denen meist die Alten wohnten, der fast runde Häuptlingsbau, die Stangenwände der Ställe und Vorratshäuser, die Bananenstauden, die Palmen, die Sagobäume, das Tabaksfeld … Je länger sie in die

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