Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Ohne Wagnis kein Erfolg! Mut ist die erste Pflicht des Chirurgen.« Er streckte die Hand aus. »Leopoldine!«
    Die OP-Schwester drückte ihm das Skalpell in die Hand, Brandis bekam zwei Haken. »Atmung und Puls normal«, meldete der Anästhesist.
    Nach drei Stunden war die Operation beendet. Der Patient wurde in den Wachraum hinausgerollt. Niemand am Tisch wagte zu klatschen, aber jeder wußte: Der Patient wird überleben. Und Homberg nickte zufrieden.
    Wagnis … Mut.
    Peter Paul Schmitz, du bist erst ein halber Mediziner, dir fehlen noch zwei Semester Klinik, aber Mut hast du, und wagen willst du es auch! Chef, ich habe mir die Worte gemerkt.
    Mit beiden Händen griff er zu. Er entfernte erst die drei weißen Vogelfedern, dann die Reihe Menschenzähne, zuletzt den hart gewordenen Pflanzenbrei. Er legte alles neben sich und wartete einen Augenblick. Aber der Speer durchbohrte ihn nicht.
    Was Schmitz nach der Entfernung des Breiverbandes sah, ließ wenig Hoffnung zu. Der Unterbauch war aufgeschlitzt worden, die Wundränder waren aufgequollen, schwarzrot, zum Teil schon brandig, aus der Wunde sickerte ein fauliges Sekret. Es war unvorstellbar, daß der Mann nicht gellend schrie, daß er sich bei diesen Schmerzen nicht aufbäumte, daß er seinen brennenden Unterbauch überhaupt noch ertrug. Statt dessen lag er stumm da, mit geschlossenen Augen, deren Lider noch nicht einmal zuckten, die wulstigen Lippen waren vom Fieber aufgeplatzt, aber der Mund war nicht verzerrt, der doch ein einziger, andauernder Schrei sein mußte.
    Schmitz beugte sich über den Notfallkoffer und legte zurecht, was er brauchte. Eine scharfe Schere, Pinzetten, Tupfer, eine Spritze für die Betäubung, eine Injektion zur Herzstärkung, ein Schlafmittel mit schmerzstillender Wirkung. Zuletzt legte er eine Kompresse und die Mullbinden zur Seite. Samuel atmete röchelnd.
    »Die Lampe näher«, sagte Schmitz. »Das Licht genau auf die Wunde.«
    Samuel kniete sich an Schmitz' Seite und ließ den Lichtstrahl auf die schreckliche Wunde fallen. Ob der Verletzte ohnmächtig war, schlief oder wach war, ließ sich nicht feststellen – mit geschlossenen Augen lag er da, auch als Schmitz Samuels Hand nahm und mit der Lampe kurz auf sein Gesicht leuchtete.
    Zuerst gab er ihm die betäubende Injektion. Auch beim Einstich der Nadel rührte sich der Körper nicht, aber nach kurzer Zeit sah Schmitz, wie sich das Gesicht glättete. Die Muskelanspannung infolge des unterdrückten Schmerzes fiel zusammen. Die Betäubung trat ein.
    Schmitz fühlte den Puls, hörte mit einem Stethoskop das Herz ab und gab zur Sicherheit noch eine kreislaufstärkende Spritze. Dann griff er zu der scharfen Schere und einer Pinzette und begann, die Wundränder sauber zu umschneiden. Er spreizte die Wunde etwas auseinander, tupfte das Sekret weg und sah, daß sie bis in die Tiefe entzündet war. Mit einem stumpfen Wundhaken erweiterte er sein Blickfeld, säuberte die Wunde, legte einen Drain an, streute Penicillinpuder hinein und legte eine Sekundärnaht an. Auf einen Verband verzichtete er und legte nur die Kompresse über Naht und Drain, die er mit einigen Pflasterstreifen befestigte. Zur Sicherheit gab er dem Verletzten noch zwei Injektionen, eine gegen Tetanus und eine mit einer hohen Antibiotika-Dosierung.
    Aufatmend legte Schmitz die Instrumente auf den Kofferdeckel und richtete sich auf. Sein Rücken schmerzte, aber er war glücklich.
    Samuel starrte ihn mit großen Augen an. »Er wird weiterleben, Masta?« flüsterte er.
    »Wenn sein Körper jetzt mithilft – ich hoffe es.« Schmitz wandte sich dem nächsten lang ausgestreckten Körper zu. »Der nächste, Samuel.«
    »Du willst sie alle behandeln, Masta?«
    »Darum bin ich ja da.«
    Schmitz hob den Kopf und blickte zur Seite. Der Krieger stand noch immer schräg hinter ihnen, auf seinen Speer gestützt. Wenn ich wüßte, was er jetzt denkt, dachte Schmitz. Sieht er das alles als einen Zauber an, oder begreift er, was hier geschieht? Er zögerte einen Augenblick, nahm dann die weißen Vogelfedern und die menschlichen Zähne vom Boden auf und legte sie auf die Kompresse und das Pflaster.
    Machen wir es gemeinsam, Duka Hamana, großer Medizinmann! Du sollst dein Gesicht nicht verlieren.
    Der nächste Verletzte hatte einen Hieb in die linke Schulter bekommen. Sie war auch wieder mit dem Pflanzenbrei und den weißen Federn bedeckt, nur lagen anstelle der Menschenzähne menschliche Fingerknochen auf der Wunde. Die Hand mußte erst vor

Weitere Kostenlose Bücher