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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sah sich zu Schmitz um, der Lakta gegenüberstand. Sie sahen sich tief in die Augen und brauchten die Sprache des anderen nicht zu kennen, um zu verstehen, was sie sich sagen wollten. Verwundert nahm Leonora diese stumme Zwiesprache wahr. »Pepau!«
    Schmitz zuckte zusammen, als sei er bei einer heimlichen Handlung ertappt worden. »Chefin –«
    »Mach bloß keine Dummheiten!« Unwillkürlich duzte sie ihn jetzt und blieb auch dabei. Sie war nur sechs Jahre älter als er, aber für sie war er ein schwärmerischer, vom Abenteuer mitgerissener Junge, wie ein jüngerer Bruder, auf den sie aufzupassen hatte. Seine Verlegenheit war deutlich, die blauen Augen unter den rotblonden Haaren schienen zu flehen: Bitte nicht weiterfragen.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen, Chefin«, stieß er viel zu eilig hervor.
    »Laß Lakta in Ruhe, Pepau.«
    »Ich tue ihr doch gar nichts.«
    »Aber ja! Mit den Augen hast du sie schon an dich gezogen.«
    »Chefin, ich … ich –«
    »Stottere nicht. Sie ist ein hübsches Mädchen, zugegeben, aber zwischen dir und ihr liegen Jahrtausende. Sie ist eine Kannibalin.«
    »Daran möchte ich nicht denken.«
    »Das mußt du aber. Als Brautgabe verlangt sie von dir Schrumpfköpfe.«
    »Chefin, woran denken Sie?«
    »An deinen Kopf, Pepau. Natürlich kannst du mit ihr in die Büsche gehen, aber nachher hacken dir ihre Brüder den Kopf ab. Das ist dir doch klar?«
    »Ich will doch gar nicht –«
    »Lüge nicht, Pepau. Natürlich willst du. Jeder Mann, der Lakta sieht, will. Was glaubst du, was passiert, wenn Reißner sie sieht?«
    »Ich schlage ihn zu Boden! Das passiert!«
    »Und du willst mir sagen, daß Lakta dir gleichgültig ist?« Leonora lächelte und wischte mit der Hand durch die Luft. »Sind die Scheinwerfer in Ordnung?«
    »Ja, Chefin.«
    »Wir heben Sapa jetzt auf den Tisch.« Sie blickte zu Dai Puino hinüber. Er stand, nach vorn gekrümmt, an der Hauswand und starrte auf seine Frau. »Samuel, sag Lakta, sie muß mit anpacken.«
    Zu viert beugten sie sich dann über Sapa, schoben ihre Hände unter ihren schmalen, faltigen Körper und hoben sie auf Leonoras Kommando vorsichtig von der Matte hoch. Die paar Schritte bis zum Tisch gingen sie langsam, um den Körper nicht zu erschüttern. Als sie Sapa auf die Platte legten, hingen Kopf und Beine über.
    Leonora nickte zu Samuel hinüber. »Sag Lakta, sie soll den Kopf festhalten, und du nimmst die Beine.«
    Sie beugte sich über die Kranke und lächelte sie an. Sapa hatte die fiebrigen Augen aufgerissen und sah sie voll Angst an. Auch wenn Lakta ihr erklärt hatte, daß die fremde weiße Frau ihr helfen werde, war es ihr doch unheimlich, was sie jetzt mit ihr taten. Als Schmitz auch noch die starken Scheinwerfer anstellte, lähmte sie der Zauber völlig – zwei Sonnen strahlten plötzlich in der Hütte, zwei kleine helle Sonnen, die das Auge blendeten. Es sind doch Götter, sie haben die Sonnen in den Händen, und mit diesen Händen haben sie mich berührt und wollen mir die Schmerzen nehmen. Seid gnädig, Götter!
    Auch Dai Puino war zusammengezuckt, als die Scheinwerfer aufflammten. Er fiel auf die Knie und drückte das Gesicht fest auf den Boden, um durch den grellen Schein nicht sein Augenlicht zu verlieren. Leonora zog die erste Spritze auf, die Narkose. Jetzt muß man wieder arbeiten wie vor vierzig, fünfzig Jahren, als es noch keine Intubationsnarkose gab und die Betäubung durch Injektionen erzeugt wurde. Bei dem Einstich zuckte Sapa kurz zusammen, aber dann, als die Narkose wirkte und die Schmerzen verflogen, zog es wie ein Lächeln über das faltige Gesicht. Der verkrampfte Körper entspannte sich.
    Schmitz nahm die Jodflasche und schraubte sie auf. »Welchen Schnitt wählen Sie, Chefin?« fragte er.
    »Hier ist am besten der Pfannenstiel-Querschnitt.«
    Schmitz verteilte das Jod auf dem Unterbauch und deckte dann den Leib ab. Nur das Operationsgebiet blieb frei. Von der Kiste nahm er Venenklemmen, Pinzetten und Tupfer und sah Leonora wieder an. Die Fritsch-Bauchdeckenhaken und der Bauchdeckenhalter zum Auseinanderspreizen der Bauchdecke lagen griffbereit in seiner Nähe. Samuel verdrehte die Augen, als Leonora zum Skalpell griff. Laktas Blick ging wie flehend zu Schmitz hinüber. Er lächelte ihr beruhigend zu, wußte aber nicht, ob sie es verstand. Tapfer hielt sie den Kopf ihrer Mutter hoch.
    »Alles bereit, Pepau?« fragte Leonora sachlich.
    »Alles, Chefin.«
    »Dann beginne ich.« In einem flachen Bogen machte sie den

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