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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ganz deutlich zu fühlen, wie ein hart aufgeblasener Ballon.«
    »Ein Bauchdeckendesmoid.«
    »Ja. Ein Fibromyom.«
    »Und was nun?«
    »Es gibt nur einen Weg: Operation.«
    »Eine Myomenukleation?«
    »Ja.«
    »Hier?«
    »Sehen Sie in der Nähe eine Klinik?«
    »Chefin, das geht schief! Mit unseren Mitteln –«
    Leonora richtete sich auf und sah Dai Puino an, der an der Wand stand und auf eine Erklärung wartete. »Sie waren nicht im Krieg, Pepau«, sagte sie ernst. »Ich auch nicht, aber mein Vater. Und er hat uns allerhand davon erzählt. Wie man unmittelbar hinter der Front die Zerfetzten zusammennähte, Beine und Arme amputierte, in Zelten, durch die der Wind pfiff, auf einfachen Klapptischen, mit einem Instrumentarium, wogegen wir wie eine Uniklinik ausgerüstet sind. Samuel?«
    »Massa?«
    »Sag Dai Puino, daß ich seiner Frau helfen will. Wenn ich anfange, soll er hinausgehen.«
    Samuel übersetzte es. Dai Puino antwortete mit einem knappen Satz.
    »Er sagt: Nein!« teilte Samuel mit. »Er geht nicht hinaus.«
    »Sag ihm, ich muß Sapa den Bauch aufschneiden.«
    Dai Puino blickte auf seine Frau und dann wieder auf Leonora. Seine Lippen bewegten sich, Samuel hatte Mühe, ihn zu verstehen.
    »Sapa wird nicht aufgeschnitten«, sagte er zögernd. »Sapa ist seine Frau, aber nicht sein Feind.«
    »Völlig klar, daß er so denkt.« Schmitz kniete noch immer neben Sapa. Neben ihm hockte Lakta, den Kopf tief gesenkt, die schmalen Hände auf den Oberschenkeln. »Hier werden nur Menschen aufgeschnitten, wenn sie Feinde sind und man sie über den Feuern brät. Einen Körper aufzuschneiden, um sein Leben zu retten, ist völlig jenseits ihrer Vorstellung.«
    »Samuel, übersetze: Der Feind sitzt im Leib von Sapa. Ich will ihn herausholen.« Leonora zeigte dabei auf Sapas Körper, der ab und zu zuckte. »Wenn ich ihn herausgeholt habe, ist Sapa gesund.«
    »Versprechen Sie da nicht zu viel, Chefin?« fragte Schmitz besorgt.
    »Ohne Operation stirbt sie garantiert! Wir müssen das Myom herausnehmen.«
    Dai Puino schien nachzudenken. Einen Menschen aufschneiden, der nicht sein Feind war – undenkbar! Aber der Feind, sagt die weiße Frau, sitzt in Sapas Leib, und man kann ihn nur besiegen, wenn man ihn angreift. Auch das ist wahr. Was tun? Er sah auf Sapa und Lakta, seine Tochter, hinunter und sagte zu dieser ein paar Worte. Lakta antwortete mit einer sanften, schwebenden Stimme, die Schmitz wie ein Streicheln vorkam. Dai Puino strich sich mit beiden Händen über das Gesicht, eine Geste der Hilflosigkeit, die beide gemein hatten, der moderne und der Steinzeitmensch. Hier, in der Erschütterung, trafen sie sich, wurden sie eins.
    »Lakta hat gesagt«, teilte Samuel mit, »wenn der Feind in der Mutter ist, dann muß er heraus.«
    »Ein kluges Mädchen. Sag ihnen, sie sollen das Haus verlassen.«
    »Sie wollen sofort operieren?« fragte Schmitz fast entsetzt.
    »Die Frau hat genug gelitten.«
    »Hier auf der Erde operieren? Das gibt eine Sepsis, die wir nicht mehr beherrschen können. Hier ist nichts steril zu machen.«
    »Im Krieg hat man in Kellern operiert, wo nach jedem Granateinschlag Staub und Kalk von der Decke und den Wänden rieselten. Und die meisten überlebten. Wir haben in der Ausrüstung doch einen Klapptisch mit.«
    »Viel zu kurz. Kopf und Beine würden überhängen.«
    »Ich operiere nicht den Kopf oder die Beine, ich muß nur den Leib auf einer guten Unterlage haben. Lakta kann ja den Kopf festhalten.«
    »Sie wird ohnmächtig werden.«
    »Sie hat bestimmt schon mehr Leichen von Feinden gesehen, die man ausgeweidet hat, als wir Tote in der Anatomie oder im OP.«
    Schmitz schluckte. Er warf einen Blick auf Lakta, die wieder begonnen hatte, kaltes Wasser über den fiebernden Körper zu gießen. Mein Gott, es ist ja wahr, dachte er, und sein Herz schlug schwer. Sie ist eine Uma, die Tochter eines Kopfjägers, und sie wird wie alle Menschenfleisch gegessen haben, sie kennt ja nichts anderes. Sie ist eine Kannibalin, Pepau, und mag sie noch so schön sein, sie hat die erbeuteten Köpfe der Feinde nach uraltem Brauch zusammenschrumpfen lassen, und sie hat vielleicht mit Vater, Mutter und den vier Brüdern einen gebratenen menschlichen Oberschenkel geteilt. Dieser Gedanke erschütterte ihn so, daß er die Augen schloß.
    Leonora bemerkte es. »Was haben Sie, Pepau?« fragte sie.
    »Nichts, Chefin.«
    »Sie hocken da wie ein nasser, geprügelter Hund.«
    »Mir ist auch so zumute.«
    »Geben Sie sich einen Ruck! Wir

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