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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Fremden. Der Mann war klein, breitschultrig, um die Mitte ziemlich füllig. Und er war zu alt: vierzig, mindestens. Er sah die Kellnerin an, dann den Barmann, und sein Blick folgte dem ausgestreckten Finger und fiel auf sie und Bridger.
    Für einen dicken Mann war er erstaunlich leichtfüßig, dieser Frank Calabrese. Er glitt durch den Raum auf sie zu, als trüge er Ballettschuhe. Sein Gesicht war ruhig, und seine Augen suchten die ihren. »Hallo«, sagte sie und streckte die Hand aus, »ich bin Dana, und das« – sie zeigte auf Bridger – »ist Bridger, mein Verlobter. Und Sie sind Frank Calabrese?«
    »Ja«, sagte er, und er hatte in ihren Worten etwas entdeckt, das ihn die Augen ein wenig zukneifen und den Kopf ein wenig schräg legen ließ. »Was kann ich für Sie tun?«
    Bridger ergriff das Wort. Bridger, ihr Sprecher. Er ließ ihre Hand los und strich sich mit einer unbewußten Geste über das Haar. »Wir suchen einen Mann –«
    Sie unterbrach ihn. »Einen Verbrecher. Er ist ein Verbrecher.«
    »– einen Mann, der anscheinend Ihren Namen benutzt hat, denn –«
    Den Rest verstand sie nicht, aber sie kannte ja die Geschichte, nicht nur im großen und ganzen, sondern jede widerwärtige Einzelheit. Sie sah in Frank Calabreses Gesicht, bis sich dort die Rudimente eines Begreifens abzeichneten – ja, jemand hatte ohne sein Wissen mit seinen Kreditkarten eingekauft, und ja, es war eine Heidenarbeit gewesen, das wieder in Ordnung zu bringen; er bekam heute noch Rechnungen, und dabei war das Ganze inzwischen drei Jahre her –, und dann öffnete sie ihre Schultertasche und holte den Aktenordner hervor. Frank Calabrese verstummte mitten im Satz. Bridger deutete auf die Theke: Sie sollte den Ordner dort hinlegen und ihm die Protokolle zeigen. Alle sahen jetzt zu ihnen, die Gäste, der Barmann, die Kellnerin. Sie ließ sich Zeit, die Intensität des Augenblicks machte sie beinahe schwindlig. Sie beugte sich vor, legte den geöffneten Aktenordner auf den Tresen und achtete darauf, daß das Polizeiprotokoll mit dem Foto und der Liste der Decknamen aufgeschlagen war.
    Der Moment war wie elektrisch geladen. Frank Calabrese stützte sich mit einer Hand auf die Barstange, und sie sah, wie der Strom ihn durchfuhr, wie sein Gesicht sich verhärtete, als er den Blick auf das Protokoll richtete. Bevor sie die Frage formuliert hatte, wußte sie bereits die Antwort. »Kennen Sie diesen Mann?«
    »Dieser Hurensohn«, sagte er. »Dieser verdammte Hurensohn.« Er hob den Kopf, doch es war, als sähe er sie gar nicht. »Allerdings kenne ich den«, und seine Faust donnerte mit solcher Kraft auf die Theke, daß sie es in den Fußsohlen spürte. Sie verstand nicht, was er als nächstes sagte. Es war der Schlüssel, den sie die ganze Zeit gesucht hatten, der Hauptidentifikator, der Name, den Bridger zweimal wiederholte und dann mit hüpfenden Fingern schrieb, so daß er wie ein Banner in der Luft hing: Peck Wilson. William Peck Wilson.

VIER
    Er wußte, daß er nie hätte zurückkehren dürfen, daß es in einer Katastrophe enden konnte, daß die Mächte, die gegen ihn waren – Gina, ihr Furzkopf von einem Vater, Stuart Yan, die Bullen, die Anwälte –, immer noch lauerten, unnachgiebig und gnadenlos, und daß sie ihn restlos fertigmachen würden, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, aber es war seine Entscheidung, ob sie nun falsch war oder nicht, und er würde damit leben müssen. Konnte er Dudley trauen? Nein, auf keinen Fall, obwohl der sein Bestes tun würde, cool zu bleiben, und dieser Vorsatz würde ungefähr achtundvierzig Stunden anhalten, nämlich bis er irgendeinen alten Kumpel traf und den ersten Drink intus oder den ersten Joint geraucht hatte und anfing, seine schrägen Theorien über das Leben auf diesem Planeten auszubreiten. He, Mann, das bleibt unter uns, und du darfst es auf keinen Fall irgendeinem erzählen, weil es ist ein Geheimnis oder so, aber rate mal, wen ich letztens getroffen habe.
    Aber er war zurückgekehrt. Und ihm gefiel das Gefühl, ihm gefiel das Haus und alles, was dazugehörte, das Einkaufen und Einrichten, der Geruch des gemähten Grases, wenn er auf dem Rasenmäher saß, der zum Haus gehörte, und Bahn um Bahn zog, das zufriedene Quietschen, mit der Madisons Schaukel an der Kette zerrte, die vorwärtsdrängende Energie von Natalia, wenn sie das Sofa so stellte, daß man einen Ausblick durch die großen Fenster hatte, und den Astrachan davorlegte. Und er hatte Sandman. Geoff. Geoffrey R. Das hatte

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