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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schon ein Haus und einen Job. Ich meine, das ist doch ziemlich unwahrscheinlich.«
    Das Fiorentino’s lag auf der linken Seite einer breiten Straße, und als Bridger den Wagen wendete und vor dem Lokal parkte, hatte Dana das Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein. Déjà-vu. War es das Restaurant, in dem sie mit ihren Eltern gesessen hatte? Wenn ja, dann wurde diese ganze Sache immer seltsamer. Sie stellte sich den Dieb vor, den Kerl mit den Koteletten und dem wiegenden Gang, eingeschrumpft auf die Größe eines Kindes: Er beobachtete sie aus der Küche, er sah zu, wie sie aß und Gebärden machte und mit ihren Brüdern herumalberte. Pizza auf schimmernden Silbertellern. Sie hatte den dazugehörigen Geschmack im Mund.
    Sie stieg aus, öffnete den Schirm und betrachtete die Fassade. Das Restaurant bestand aus zwei ehemaligen Läden. Jemand hatte versucht, sie optisch zu verbinden, indem er die Fassade mit lackierten Brettern verkleidet hatte, die die Fenster wie Bilderrahmen einfaßten. Auf dem handgemalten Schild über dem Eingang stand in Schreibschrift der Name des Restaurants. Auf jedem der durch den Regenvorhang undeutlich erkennbaren Tische standen eine Vase mit künstlichen Blumen und eine Chiantiflasche, in deren Hals eine rote Kerze steckte. Alles sehr typisch. Doch sobald sie das Lokal betreten hatten – links war eine L-förmige Theke, rechts ein Alkoven und der Durchgang zum eigentlichen Restaurant –, wußte sie es. Und als ob der visuelle Eindruck nicht ausgereicht hätte, gab es auch ein olfaktorisches Erkennungsmerkmal. War es irgendeine Eigenheit des Pizzaofens, waren es die importierten Tomaten und die hausgemachte Wurst, die Kräuter und Gewürze, das verschüttete Bier, der Schmutz hinter dem Kühlschrank im hintersten Winkel der Küche? Jedenfalls war es ganz eindeutig das Restaurant, in dem sie mit ihren Eltern gesessen hatte. Sie nahm Bridgers Hand und drückte sie. Sie wollte sagen: Stopp, nicht weiter , aber ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihre Finger fühlten sich an, als wären sie aus Holz geschnitzt.
    Sie sah ein typisches Stammlokal: ein halbes Dutzend Männer in kurzärmligen Hemden, einen weißhaarigen Barmann mit roten Ohren und Augenringen, eine Kellnerin in Netzstrümpfen und einem kurzen Röckchen, die gelangweilt die Ellbogen auf die Theke stützte. Der Fernseher lief – Baseball –, und niemand aß etwas. Es war noch zu früh. Es war zu warm. Es regnete zu sehr.
    Sie stand neben Bridger und hielt seine Hand, während er sich über die Theke beugte und darauf wartete, daß der Barmann sie nach ihren Wünschen fragte. Der Augenblick war wie eingefroren. Man musterte sie verstohlen, man ordnete sie ein. Danas Herz klopfte vor Angst und Haß, und zugleich überkam sie eine unbestimmte Sehnsucht nach diesem Ort, nach der Art, wie sie damals, als Mädchen, gewesen war, als ihre Eltern noch verheiratet gewesen waren und ihre Brüder hier, in diesen Räumen, herumgealbert hatten, und dann kam der Barmann auf sie zu, und sie sah, wie sein Mund sich bewegte und er die naheliegende Frage stellte: »Was darf’s sein?«
    Sie konnte ihn nicht ansehen und richtete den Blick auf Bridger, als müßte er sie beschützen. Gleich würde der Dieb aus dem Schatten des Alkovens treten und der ganzen Sache ein Ende machen. »Ist Frank da?« fragte Bridger. Sie sah die Bewegung aus dem Augenwinkel, der Barmann drehte sich um und rief etwas, und die unter glitzerndem Nagellack und mehreren Schichten Make-up begrabene Kellnerin erwachte zum Leben, ging zur Schwingtür der Küche, beugte sich hinein und gab die Nachricht weiter. Der Name ging von Mund zu Mund. Dana stellte es sich vor. »Frank«, sagte die Kellnerin, oder vielleicht rief sie es, um die Geschirrspülmaschine, das Radio, das Klappern der Töpfe und Pfannen zu übertönen, »Frank, da ist jemand für dich.«
    Frank Calabrese erwies sich als Enttäuschung. Er war nicht der, den sie erwartet hatten, er sah ihm nicht mal ähnlich. Die Küchentür schwang auf, und Dana hielt den Atem an. Der Frank Calabrese, den sie kannte, würde erscheinen und sich die Hände an der Schürze abwischen. Er versteckte sich hier, bei seinem Vater, seinem Onkel, seinem Cousin, in einem drittklassigen Mafiarestaurant, bis Gras über die Sache gewachsen war und er den nächsten ruinieren konnte, ein Mamasöhnchen, ein Versager, schwach und verzogen, aber diesmal würde sie ihn niederstarren. Doch das Gesicht, das in der Tür erschien, war das eines

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