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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sich schlingernd, sie machten im soliden, hohen Fahrerhaus des Abschleppwagens ein bißchen Smalltalk, und schließlich standen sie in der Autowerkstatt mit den uralten Gerüchen und dem einst weißen Schäferhundmischling, der zusammengerollt auf dem Boden lag. Kostenvoranschlag? Konnte man noch nicht sagen, aber wie es aussah, war die Hinterachse gebrochen – »Sehen Sie«, sagte der Meister und zeigte auf ihren Wagen, der zusammengesunken vor einer efeuüberwucherten niedrigen Mauer stand, »daß die Räder x-beinig stehen?« –, und dann war da natürlich einiges an der Karosserie zu tun: Kofferraum, beide Kotflügel, Stoßstange, die Heckscheibe mitsamt der Halterung. Als es endlich vorbei war, als sie mit einem Taxi zum Bahnhof fuhren und den nächsten Zug in Richtung Süden nahmen, als Dana am Fenster saß und auf das pokkennarbige Grau des Flusses starrte, hatte sie das Gefühl, als wäre im Lauf eines einzigen Tages eine ganze Woche vergangen – und es würde weit länger als eine Woche dauern, zweieinhalb Wochen, um genau zu sein, bis sie ihren Wagen zurückbekommen würde. »Und das auch nur, wenn wir Tag und Nacht dran arbeiten«, sagte der Meister, als Bridger von der Wohnung ihrer Mutter aus mit ihm telefonierte, wobei er immer wieder die Hand auf die Sprechmuschel legte und für Dana übersetzte, »Tag und Nacht. Wir machen echt Dampf. Weil die junge Frau es doch bestimmt eilig hat, wieder nach Kalifornien zu kommen.«
    Bis dahin versuchte sie, sich zu entspannen. Jetzt hatte sie Gelegenheit, Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen, an ihrem Buch zu arbeiten, gründlich nachzudenken. Und wenn sie wieder unterrichten wollte, mußte sie ihren Lebenslauf überarbeiten und ein paar Erkundigungen einholen. Für eine Bewerbung um eine nicht für Behinderte reservierte Position an einem College war es inzwischen zu spät, aber in Riverside und Berkeley gab es Gehörlosenschulen, bei denen sie es versuchen konnte. Wenn sie überhaupt an der Westküste bleiben wollte. Sie war sich nicht mehr so sicher, sie war sich in nichts mehr sicher. Vor zwei Monaten noch war sie verliebt gewesen, eingetaucht in ihre Forschungen und die Arbeit an ihrem Buch, mit einem sicheren Job an der Gehörlosenschule in San Roque. Der Reiz der Gegend begann sich ihr zu erschließen: Mojitos unter freiem Himmel, und das im Januar, Sommer ohne Mücken, das herrliche Geschenk des Frühlingslichts, das, von den weißverputzten Wänden und roten Ziegeldächern der Schule reflektiert, hell und klar über das Meer strahlte. Jetzt war sie sich nicht mehr sicher. Jetzt wohnte sie bei ihrer Mutter und hatte weder einen Wagen noch einen Job. Es machte ihr angst, wie schnell sich alles gegen sie gewendet hatte.
    Sie bekam noch bis Ende des Sommers ihr Gehalt, und neue Kreditkarten hatte sie auch. An dieser Front war also alles ruhig, jedenfalls für eine Weile. Ihre Kreditsituation aber war katastrophal. Sie konnte und mochte sich nicht vorstellen, wie groß der Haufen Rechnungen und Mahnungen war, der sich in einem jener schweren Kunststoffkörbe im Lagerraum des Postamts von San Roque auftürmte, und mit jeder einzelnen würde sie sich irgendwann befassen müssen. Die Beweislast lag bei ihr, ganz gleich, ob die Unterschrift auf dem Kreditkartenbeleg ihre war oder nicht. Denen war das egal. Die wollten ihr Geld. Die Frau von der Opferhilfe hatte ihr düsterstes Gesicht aufgesetzt, als sie über die Gier der Banken und Kreditkartenfirmen – Easy Credit, Instant Credit, No Refusamos Crédito – gesprochen und gesagt hatte, daß bald alle zum Nachweis ihrer Identität eine Art Implantat würden tragen müssen, wie man sie Katzen und Hunden einsetzte. »Wie in 1984 «, hatte Bridger gesagt, und die Frau hatte sie ausdruckslos angesehen.
    Aber die Post. Die Post war ein Problem. Sie hatten San Roque eilig verlassen, und Dana hatte nicht über den Tag hinausgedacht. Sie hatte die Post beauftragt, alle Sendungen vier Wochen lang aufzubewahren. Es wäre wohl besser, sie nachsenden zu lassen, doch das wäre ein Eingeständnis einer Niederlage gewesen, ein Nachgeben gegenüber ihrer Mutter, ein zu leichter Ausweg – und außerdem wollte sie sich tatsächlich nicht mit ihrem Finanzdesaster auseinandersetzen. Die Post konnte nichts Gutes bringen, und im Augenblick – es war ein schwüler Dienstagnachmittag eine Woche nach dem Unfall, und sie saß am Tisch des Gästezimmers in dem vollgestopften, klaustrophobischen Alptraum der Wohnung ihrer Mutter, drehte

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