Talk Talk
schmutziger Wäsche auf dem Rücksitz angelte. »Das Übliche eben. Sie war bloß eine alte Frau.«
»Und sie hat dir das abgekauft?«
Wieder ein Schulterzucken. »Spielt das jetzt noch eine Rolle?«
Sie warf ihm einen langen Blick zu, den sie erst abwandte, als sie den Wählhebel auf D stellte. Sie war verärgert, sie war wütend, sie kochte innerlich – ja, es spielte eine Rolle, natürlich spielte es eine Rolle –, und darum beschleunigte sie zu stark, und auf der nassen Straße brach das Heck aus, plötzlich war nichts mehr so, wie es sein sollte. Es gelang ihr zwar, einen Zusammenstoß mit den beiden am rechten Straßenrand geparkten Wagen zu vermeiden, aber der Lastwagen, der leuchtend orangerot und weiß lackierte Möbelwagen mit dem »U Haul«-Logo auf der Seitenwand des Aufbaus, war eine ganz andere Geschichte.
Am deutlichsten erinnerte sie sich später nicht an den Anblick ihres Wagens, dessen Kofferraum zerknautscht unter dem Bauch des Lastwagens steckte, als hätte ein unaufmerksamer Riese damit gespielt, sondern daran, daß sie einen halben Block von Peck Wilsons Haus – dem Haus des Diebs – entfernt im Regen gestanden hatte, während eine freudlose Beamtin der Polizei von Peterskill prüfte, ob sie betrunken war, und Bridger gestikulierend und mit rasenden Mundbewegungen vor dem Bodybuilder mit nackter Brust, Shorts und Flipflops stand, der den Wagen gemietet und so geparkt hatte, daß das Fahrerhaus auf die Straße ragte. »Ich bin nicht betrunken«, sagte sie immer wieder, »ich bin gehörlos. Taub. Verstehen Sie nicht?« Und dann sagte die Polizistin: »Stellen Sie sich breitbeinig hin, strecken Sie die Arme seitlich aus, schließen Sie die Augen und berühren Sie mit den Zeigefingern Ihre Nasenspitze.«
Aus den umliegenden Häusern waren Leute getreten, um, mit Schirmen versehen, das Spektakel zu genießen: barfüßige Mädchen mit Shorts oder im Nacken geknoteten Trägerkleidern, ihre dicken Mütter und schief grinsenden Brüder, ein alter Mann mit Strohhut. Weder Dana noch Bridger waren verletzt. Gott sei Dank. Aber sie hatte am Steuer gesessen und stand im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, im Zentrum all dieser seichten, ausweichenden Blicke: eine Betrunkene – oder nein, schlimmer, eine Verrückte, eine Schwätzerin, jemand, von dem man sich instinktiv fernhielt. Sie wußte, was sie dachten, was sie beim Abendessen (Hot dogs und Krautsalat) sagen würden – nur eine kurze Bemerkung über die kleine Abweichung an diesem sonst ereignislosen Tag: »Eigentlich sah die ganz normal aus, sogar hübsch. Bis sie den Mund aufgemacht hat.«
Die Polizistin war mittelgroß, in Danas Alter und hatte eine sportliche, leicht asymmetrische Statur. Sie trug eine dicke, streng wirkende Brille, und ihre Augen hätten schön sein können, wenn sie ein wenig Make-up aufgelegt hätte. Endlich schien sie ein Einsehen zu haben. Bridger ließ den Bodybuilder stehen und trat hinzu, um der Beamtin zu erklären, was Dana zu sagen versuchte. Der andere Polizist, ein älterer Mann mit verblassenden Augen und der Haarfarbe einer Laborratte, beugte sich über einen Block und schrieb den Unfallbericht. »Der Lastwagen war nicht richtig geparkt«, sagte Bridger. »Der hätte da gar nicht stehen dürfen.« Die Polizistin – Dana bemerkte das Namensschild auf ihrer Brusttasche: P. Runyon – schien das nicht sonderlich zu interessieren. Für sie war der Fall schon so gut wie erledigt, so alltäglich, daß das hier ohne Dana und die kalifornischen Kennzeichen geradezu sterbenslangweilig gewesen wäre: nasse Straße, zu hohe Geschwindigkeit, der Lastwagen auf der linken Straßenseite geparkt und verschlossen.
Sie wandte sich abrupt an Dana und sagte etwas. Was war es? Versicherung? Ja, sie war versichert. Mit zitternden Händen wühlte sie im Handschuhfach und zog schließlich die erforderlichen Papiere hervor. Und nein, sie fühlte sich gut und mußte nicht ins Krankenhaus. P. Runyon schien nicht überzeugt. Sie stapfte im Regen umher – die Tropfen perlten vom glänzenden Leder ihrer Dienstschuhe –, starrte Dana mißmutig an und kehrte ihr dann den Rücken, um ihren Blick über die Schaulustigen gleiten zu lassen, als wollte sie ihnen versichern, daß hier, allem Anschein zum Trotz, alles unter Kontrolle war, und sie zugleich eindringlich ermahnen, gut achtzugeben, sonst würden sie ebenfalls unter Lastwagen landen.
Und dann kam der Abschleppwagen, die Menge verlief sich, der Streifenwagen entfernte
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