Talk Talk
Durchsuchungsbefehl kommen und das Haus auf den Kopf stellen. Natalia würde noch ein paar Wodkas hinunterstürzen, mit Madison irgendwo zu Mittag essen und anschließend einkaufen gehen, und schließlich würde sie wieder zum Haus zurückfahren und eine Schadenserhebung vornehmen. Sie würde aus dem Fenster sehen, vor dem der Mietwagen stand, irgendwas Hübsches, Sportliches, ein Mustang vielleicht oder ein T-Bird, denn warum sollte sie sich etwas versagen, solange die Kreditkarten noch akzeptiert wurden? Kurz darauf würde sie alles mögliche in den Wagen packen. Und dann wäre sie fort.
Der Zug ratterte durch den frühen Abend, die untergehende Sonne warf ihre Strahlen auf den weitgeschwungenen Bogen der Schienen und ließ die Baumwipfel aufleuchten, während der Rest der Welt in Grau versank. In Gedanken zerknüllte Peck das Bild Natalias in der Faust. Er stellte fest, daß er wieder wütend wurde. Das Haus. Der Gedanke daran, daß er das Haus verlieren würde, war ihm ebenso zuwider wie der Gedanke, daß er Natalia verloren hatte. Das Haus und alles, was er angesammelt hatte. Den Wagen. Die Namen in dem Notizbuch, von denen jeder Gold wert war. Sein Geschäft. Und Sukie. Auch das war vorbei. Und auch daran dachte er: wie schnell sich alles gegen ihn gewendet hatte. Heute morgen noch war er ein Gewinner gewesen. Er war in einem Haus erwacht, für das die Miete ein Jahr im voraus bezahlt war und für das er ein Vorkaufsrecht besaß, er war in einen Mercedes S500 gestiegen und mit seiner Verlobten zu seiner Mutter und seiner Tochter gefahren, die er seit drei Jahren nicht gesehen hatte. In diesem Augenblick erschien vor seinem geistigen Auge das Bild von Dana Halter, und er sah sie auf dem Bürgersteig stehen, sah den Ausdruck in ihren Augen, der verriet, daß sie wußte, was er tun würde, noch bevor er selbst es wußte, und dann sah er, wie sie rannte, wie sie ihn deklassierte, als wäre er irgendein Fettsack, ein Schwuler, die Freundin von irgendeinem. Er wollte ihr weh tun. Er wollte ihr weh tun, wie er Bridger Martin weh getan hatte. Er wollte abrechnen. Ein letzter Schuß. Und dann nichts wie weg.
Es war noch hell, als er in Beacon ausstieg, einem richtigen Dreckskaff. Abfall entlang der Gleise, Abfall auf dem Fluß, überall Graffiti, als kümmerte sich niemand um irgendwas, als besäßen die Leute keinen Funken Selbstachtung, und wo waren die Bullen eigentlich, wenn man sie brauchte? Warum schnappten sie sich nicht diese kleinen Schleimscheißer mit ihren Spraydosen, anstatt ihm den Arsch aufzureißen? Warum fegten sie nicht den Abfall zusammen und übermalten die Bandenlogos und Obszönitäten, anstatt ihre fetten Ärsche von einem Doughnutladen zum anderen zu fahren? Er hatte eine Scheißlaune, das war klar. Was er brauchte, waren ein Wagen, andere Kleidung und Essen. Seit dem Frühstück hatte er den ganzen Tag nichts gegessen – er war zu angespannt gewesen, zu aufgeschreckt, zu wütend, um auch nur daran zu denken –, doch jetzt war er plötzlich hungrig.
Die Straßenlaternen machten mit bernsteinfarbenem Licht, das sich in die Schatten mogelte, auf sich aufmerksam und wurden bereits von Insekten umschwirrt, die aussahen wie Schneeflocken. Ein paar Leute waren unterwegs, weiße T-Shirts leuchteten schwach im fahlen Licht. Er hörte ein Mädchen laut lachen, drehte sich um und sah ein paar Teenager, die auf dem Widerlager der Brücke hockten und eine braune Papiertüte mit einer Flasche herumgehen ließen. Ein Taxi konnte er nicht entdecken, und so ging er den Hügel hinauf, wo die Lichter der Stadt blinkten. Er war noch keine drei Blocks gegangen, als er ein Taxi vor einer Bar halten sah. Er überquerte die Straße und beugte sich zum Seitenfenster auf der Fahrerseite. Ein junger Puertoricaner mit starker Akne saß am Steuer, und aus dem Radio kam leiser Hip-Hop. »Wartest du auf jemanden?« fragte Peck.
Die Augen des Jungen, nackt und zu groß für sein Gesicht, wichen ihm aus. Er murmelte etwas.
»Was?«
»Eigentlich schon.«
Peck zeigte auf die Bar. »Auf einen von da drin?«
Der Junge nickte. Das Weiße seiner Augen blitzte im Dunkel des Wageninneren auf.
»Vergiß es«, sagte Peck, zog einen Zwanziger aus der Brieftasche und hielt ihn ihm hin. »Hier, für dich. Fahr mich irgendwohin, wo ich an einem Samstag um diese Zeit einen Wagen mieten kann. Was ist mit dem Flughafen? Du weißt schon – drüben, auf der anderen Seite vom Fluß. Die müßten doch eigentlich rund um die Uhr besetzt
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