Talk Talk
Straße und wandte sich hinunter zum Bahnhof, vorbei an dem Straßencafé, wo ein paar Leute saßen und kauten, als hinge ihr Leben davon ab, vorbei an dem Taxistand, und als er die wartenden Taxis und den gerade eingefahrenen Zug nach Norden sah, kam ihm der Gedanke, er könnte einfach in ein Taxi steigen und sich davonmachen. Doch er verwarf ihn sogleich wieder. In ein paar Minuten würden die Bullen dasein, wenn der Clown wieder auf den Beinen war, wenn sich der Staub gelegt und der Barmann die Notrufnummer gewählt hatte, und das Taxi würde direkt auf sie zufahren. Er sah es vor sich, während er, ohne das Tempo zu verlangsamen, weiterging, obwohl die Leute sich nach ihm umdrehten – Blut im Gesicht, die schmutzige, zerrissene Hose. Er trat auf den Bahnsteig, stieg in den Zug und setzte sich auf einen Platz am gegenüberliegenden Fenster. Wenig später ging er zur Toilette, wo er sein Gesicht mit einem nassen Papiertuch abtupfte und Sirenen hörte – oder bildete er sich das nur ein? Kurz darauf setzte der Zug sich mit einem Ruck in Bewegung, die Räder drehten sich, und dann schwankte der Wagen wie unter dem Einfluß zweier widerstreitender Kräfte, es klackte und rumpelte, und sie waren unterwegs in Richtung Norden.
Der Riß – eigentlich mehr eine Abschürfung mit einem schmalen Schnitt in der Mitte – reichte vom rechten Wangenknochen bis zu seinem sehr geröteten Ohr und blutete stärker, als ihm lieb war. Das kam höchst ungelegen. Die Wahrscheinlichkeit war gering, daß ihn irgendein Bulle, der zu der Bar gerufen worden war, mit der anderen Sache in Verbindung brachte, und noch unwahrscheinlicher war, daß sie im Zug nach ihm suchen würden – immerhin war es ja bloß eine von einer Million Schlägereien –, aber trotzdem wollte er keine Aufmerksamkeit erregen. Wenn sie den Mercedes hatten, würden sie mit einem Durchsuchungsbefehl beim Haus aufkreuzen, und ein paar Tage lang würde garantiert ein Bulle dort herumhängen und darauf warten, daß er auftauchte. Doch er würde nicht auftauchen, er hatte nicht die Absicht, dort aufzutauchen – weder am Haus noch sonstwo. So dumm war er nicht, auch wenn er auf dem besten Weg war, es zu werden. Als er die Blutung gestillt hatte, nahm er ein frisches Bündel Papiertücher, tränkte es mit Wasser und ging zurück in den schlingernden Wagen und setzte sich an eines der Fenster auf der rechten Seite, damit der Schaffner sein linkes Profil sah.
Sie fuhren durch die lange Biegung am Fuß von Anthony’s Nose, als der Schaffner sich von hinten näherte. »Beacon«, sagte Peck und preßte die nassen Tücher an die Wange. Der Schaffner – ein Schwarzer, schon älter, mit abwesendem Blick und geglättetem Haar, das schlaff unter dem Mützenrand hing – fragte nicht, aber Peck sagte dennoch: »Verdammte Zahnschmerzen«, und reichte ihm einen Geldschein. Der Schaffner druckte den Fahrschein aus und gab ihm Wechselgeld, und damit war alles erledigt. Für den Augenblick jedenfalls. Aber wie ging es weiter? Und warum hatte er Beacon gesagt und nicht Buffalo? Oder Chicago?
Als sie am Bahnhof von Garrison hielten – ein mickriges Bahnhofsgebäude aus Stein, eine Reihe Häuser, die flache Hand des Flusses und ein großer, leerer Parkplatz – und niemand ihn empfing, keine Bullen und keine Natalia, begann er zu begreifen. Hier erwartete ihn etwas Unerledigtes, und der Gedanke daran zerrte an ihm und verwandelte seinen Mageninhalt – das schale Bier aus dem großen Glas, die schalen Erdnüsse, die Cola – in etwas, das sich wie Batteriesäure durch ihn hindurchfraß. Natalia hatte ihn verlassen. Sie war fort. Es war vorbei. Womöglich saß sie in ebendiesem Zug und war unterwegs nach Toronto. Nein, das war nicht ihr Stil. Er versuchte sie sich vorzustellen: den kleinen Kußmund, den sie machte, wenn sie sich auf etwas konzentrierte, wenn sie sich die Augen schminkte oder ein Kreuzworträtsel löste; Natalia, die aus der Badewanne stieg oder ein Glas Beaujolais Nouveau austrank oder ihm erregt und wutschäumend eine Szene machte und vor Handgreiflichkeiten nicht zurückschreckte. Nein, sie würde mit einem Taxi zu Hertz oder Enterprise fahren, einen Wagen mieten, Madison abholen und zurück zum Haus fahren. Dort würde sie düster vor sich hin starren, Sachen auf den Boden werfen und Wodka trinken, sie würde, erfüllt von finsteren Mordgedanken, barfuß durch das Haus stampfen, bis sie irgendwo einschlief, und am Morgen würden die Bullen mit dem
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