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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gut«, sagte Steve. »Gar nicht gut.«
    »Aber sie war’s nicht. Sie hat nichts getan. Sie hat ein Stoppschild überfahren, das ist alles. Verstehst du?«
    »Schon mal an Identitätsdiebstahl gedacht?«
    »Ich weiß nicht. Falsche Identität, Identitätsdiebstahl – was ist der Unterschied?«
    Im Hintergrund hörte Bridger eine andere Stimme. »Ja, ja«, sagte Steve, »ich bin gleich fertig.« Und dann: »Bridger? Also, der Unterschied ist Geld, jede Menge Geld, denn wenn es ein Fall von Identitätsdiebstahl ist, mußt du erreichen, daß die Anklagen aus allen Gerichtsbezirken, in denen diese andere Frau Betrügereien begangen hat, abgewiesen werden, und dann steht dir ein Papierkrieg mit den Kreditberichtagenturen bevor, und das kann in echte Arbeit ausarten.«
    »Schon klar«, sagte Bridger, »aber was kann ich jetzt tun? Ich meine, ich kann sie doch nicht einfach im Gefängnis lassen.«
    »Du mußt mit einem Anwalt sprechen.«
    »Ich denke, das tue ich gerade.«
    »Du brauchst einen, der auf Strafrecht spezialisiert ist. Der vor Ort ist. Kennst du nicht jemanden, der jemanden kennt?«
    »Nein.«
    »Na gut, dann schnapp dir das Branchenbuch und arbeite dich durch. Aber ich warne dich: Sobald die hören, um was es geht, werden sie so um die fünfzigtausend Vorschuß verlangen, wahrscheinlich zehntausend bloß für eine Unterredung mit ihr, und damit ist noch gar nichts gewonnen, denn da sind ja noch das Auslieferungsbegehren aus Nevada und die Haftbefehle mit Kautionsausschluß. Aber gib ihnen Geld, und sie versprechen dir das Blaue vom Himmel.«
    »Aber ich habe... Ich meine, ich verdiene ganz gut, aber...«
    »Was ist eigentlich Paint-and-roto?«
    »Also, es würde ein bißchen zu lange dauern, das zu erklären – es ist eine Spezialeffektetechnik. Wenn du das nächstemal hier bist, zeig ich’s dir, versprochen. Ich mag meinen Job, ich verdiene ganz gut, aber was ich sagen will, ist: Ich hab eigentlich nichts auf dem Konto und keine Ahnung, wie ich auch nur annähernd so viel Geld...«
    Wieder ertönte im Hintergrund die Stimme, vermischt mit anderen. Steve ersetzte den Sirup durch Essig. »Sie wird übers Wochenende im Knast bleiben, da ist nichts zu machen. Montag wird sie vorgeführt und kriegt einen Pflichtverteidiger, irgendeinen Höhlentroll mit einem billigen Anzug und einer billigen Aktentasche, der aussieht wie eine tödliche Nervensäge, und dann kannst du ihr nur noch die Daumen drücken. War schön, mit dir zu reden. Viel Glück, hm?«
    Am Montag morgen rief er an und meldete sich krank (Radko: Bitte hinterlassen Nachricht ). Dann fuhr er zum Bezirksgericht, einem Repräsentationsbau aus den zwanziger Jahren, der aussah wie ein Nebengebäude der Alhambra, ganz aus Stein, Stuck und Wandfliesen, mit einem monumentalen Uhrenturm und einer Aussichtsplattform, von der Touristen das Zentrum San Roques von der blauen Auslegware des Meers bis zum Bildteppich der im Dunst verschwimmenden Hügel überblicken konnten. Am Informationsschalter riet ihm eine strahlend lächelnde ältere Frau mit einer langen roten Nase und einem ganz leichten britischen Akzent, sich die Liste der angesetzten Verhandlungen durchzulesen, die am Schwarzen Brett am Ende des Korridors ausgehängt war, und dort fand er Danas Namen unter achtzig bis hundert anderen. Die Anklageerhebung sollte um halb neun in Saal 2 stattfinden.
    Der Gerichtssaal war ein Ort, der Vertrauen in das Justizsystem einflößte: gewölbte Decke, dunkle, von den Spuren der Geschichte gezeichnete Zuschauerbänke, zur Linken die erhöhte Geschworenenbank, in der Mitte, unter dem großen Siegel des Staates Kalifornien, die matt schimmernde, polierte Richterempore und entlang der rechten Wand eine Reihe kleinerer Tische für die Gerichtsbeamten und Protokollanten. Um fünf nach acht Uhr morgens machte das alles einen sehr effizienten Eindruck. Bridger setzte sich in die hinterste Reihe. Außer einem Justizwachtmeister – einem großen, muskulösen, diensteifrig wirkenden Beamten in einem braunen Uniformhemd, an dessen Kragen eine Art Sprechfunkgerät befestigt war – waren nur zwei andere Personen anwesend: ein junges Paar, möglicherweise Collegestudenten, die sich in der ersten Reihe über die Comicseite einer Zeitung beugten. Bridger war erschöpft. Er hatte das ganze Wochenende gearbeitet, um den Rückstand aufzuholen, und sich dabei ausschließlich von Red Bull, Kaffee und Pizza ernährt. Kades Gesicht war ihm mittlerweile so trostlos vertraut, daß er die

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