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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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– ihre Blicke, die Bewegungen ihrer Hände, den Ausdruck auf ihrem Gesicht, wenn er ins Zimmer trat –, und die Zeichen waren günstig, sie gaben ihm das Gefühl, göttergleich zu sein, als wäre er The Kade. Sie starrte im Café wie gebannt auf seinen Mund und lachte unmäßig über das, was er sagte. »Ja«, sagte sie mit ihrer eigenartig tonlosen Stimme, die schwankte und taumelte, bis alle Unebenheiten geglättet waren, »ja, du bist ein komischer Typ. Aber das weißt du, oder?« Und dann zitierte sie eine Statistik aus irgendeiner Kolumne, derzufolge die Mehrheit alleinstehender Frauen sich von potentiellen Partnern vor allem Sinn für Humor wünschte.
    Gleichzeitig wies sie natürlich nachdrücklich darauf hin, daß neunzig Prozent der Gehörlosen einen Partner unter ihresgleichen fanden, und bei denen, die dennoch jemanden aus der Welt der Hörenden heirateten, war die Scheidungsrate atemberaubend hoch. Dann gab es noch das Problem mit den Kindern. Ein gehörloses Paar in ihrem Bekanntenkreis hatte, als die Frau schwanger wurde, Schreckliches durchgemacht: »Sie sagten immer nur: › Wird es taub sein? Wird es taub sein? ‹« Und dann bekamen sie ein Mädchen, glatt und rot und dick, mit allen Fingern und Zehen an den richtigen Stellen, und die Eltern klatschten vor ihrem Gesicht in die Hände und schrien, bis die Schwester kam und alles in Aufruhr war – nur das Kind reagierte überhaupt nicht. »›Gott sei Dank‹, sagten die Eltern, ›sie ist eine von uns.‹«
    »Und was meinst du damit?« fragte Bridger.
    Sie senkte den Blick, und ihr Gesicht wurde starr. »Nichts.«
    Sie waren in ihrer Wohnung und hatten die zweite Flasche Wein geöffnet, nachdem Dana ihren Spezial-Krabbensalat gemacht und Bridger die ideale Ergänzung dazu – Lay’s Barbeque Potato Chips – präsentiert hatte. Er verstand nicht gleich, er mühte sich zu dechiffrieren, was sie ihm mitteilen wollte, und dann streckte er die Arme aus und nahm ihre Hände, bis sie den Blick wieder hob. »Aber das bist nicht du«, sagte er und versuchte, sich an das Thema heranzutasten. »Ich meine, du bist nicht so.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du bist nicht... Ich meine, du bist nicht so geboren. Stimmt doch, oder?«
    Sie sah ihn an, als wollte sie in Tränen ausbrechen, zwang sich aber zu einem Lächeln. »Wie geboren?«
    »Taub.«
    Sie stand auf und ging hinaus. Als sie gleich darauf zurückkehrte, trug sie ein T-Shirt aus ihrer Studentenzeit in Gallaudet. Er kannte es bereits, denn sie zog es an, wenn ihr danach war, wenn sie sich bedrängt fühlte oder trotzig war. Auf dem T-Shirt war eine gereckte Faust, die an das Black-Panther-Logo erinnerte, und darüber stand DEAF POWER .
    Mit Viereinhalb hatte sie Meningitis bekommen und nur knapp überlebt. Drei Tage lang hatte sie über vierzig Grad Fieber gehabt. Die Ärzte erklärten ihren Eltern, die Gehörnerven seien irreparabel geschädigt, und Dana werde jetzt und für immer vollkommen taub sein. Doch sie selbst bestand darauf, daß sie Glück gehabt habe, denn sie sei postlingual ertaubt, wodurch es für sie tausendmal leichter sei, zu sprechen, zu lesen und in der Welt der Hörenden zu funktionieren. Woran erinnerte sie sich aus der kurzen Zeit, bevor das Fieber eingesetzt hatte? An Wörter. An Geschichten. An Stimmen. Und daran, daß ihr Vater sich mit ihr Yellow Submarine angesehen hatte.
    »Ja«, sagte sie zu Bridger und schob die Finger in den Beutel mit Kartoffelchips, als fürchtete sie, ihre Hand könnte ihr widersprechen, »ja, ich bin nicht so.« Und dann begann sie mit vollkommen losgelöster, tonloser, melodieloser Stimme zu singen: »We all live in a yellow summarine, yellow summarine...«
    Er verließ die Polizeiwache erst, als man ihm mitteilte, sie sei ins Bezirksgefängnis in Thomsonville verlegt worden, und da war es bereits neun. Zuvor hatte er über sein Handy den einzigen ihm bekannten Anwalt angerufen, einen Freund aus Collegezeiten, der als Medienanwalt in einer Kanzlei in Las Vegas arbeitete. »Hallo, Steve«, sagte er bemüht herzlich, »ich bin’s, Bridger«, und Steve fing gleich an zu plaudern und in Erinnerungen zu schwelgen und schmierte seine Stimme mit dem 1A-Sirup aus der obersten Schublade, bis sie die Eröffnung hinter sich hatten und er sich in einem Ton räusperte, dem zu entnehmen war, daß die Honoraruhr lief oder jedenfalls laufen sollte. »Tja«, sagte Bridger, »ich rufe dich an, weil ich ein Problem habe.« Er erklärte die Situation.
    »Nicht

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