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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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willkürlich verteilt, und er konnte ums Verrecken nicht die 31 finden, die sich jedenfalls nicht in direkter Nachbarschaft von Nummer 29 und 30 befand, vor denen er nun schon zweimal gelandet war. Nach drei weiteren erfolglosen Runden sprach er eine Frau in Danas Alter an, die mit einer angeleinten Katze die Treppe herunterkam. »Entschuldigen Sie«, sagte er, »aber wissen Sie vielleicht, wo Dana Halter wohnt?«
    Sie sah ihn ausdruckslos an.
    »Sie wissen schon«, sagte er. »Dana? Anfang Dreißig, etwa so groß wie Sie, dunkles Haar, hübsch?«
    Ihr Gesicht hellte sich auf. »Ach, na klar – Entschuldigung, tut mir leid. Sie meinen die gehörlose Frau, nicht?«
    Es traf ihn mit der Wucht einer Offenbarung. Plötzlich ergab alles einen Sinn: ihre tonlose Stimme, die Mißverständnisse, die Beweglichkeit ihres Gesichts, wenn sie sprach – als wäre jeder Muskel unter der Haut ein eigenes Kommunikationsmittel. Als er auf den Klingelknopf an ihrer Tür drückte, ertönte das übliche mechanische Summen, doch zugleich begann in der Wohnung ein Licht zu blinken. Und plötzlich stand sie vor ihm und sah wunderschön aus. Ihre Hände flatterten, bei der Begrüßung war ihre Stimme zu laut, und sie sah die ganze Zeit auf sein Gesicht; es war ein nicht abreißender Blickkontakt, und Bridger fühlte sich entweder unwiderstehlich oder befangen, es war schwer zu sagen. Dann war da die CD , die er im Wagen auflegte, die CD , über die er so intensiv nachgedacht hatte (würde sie ihn nach der Musik beurteilen? Kannte sie die Band? Mochte sie sie?) und die sie mit keinem Wort erwähnte, und da waren die Tagesgerichte, von denen sie keines bestellte. Die Unterhaltung drehte sich um Autobiographisches, gemeinsame Interessen, Politik und Umweltfragen und kam ins Stocken, wenn er zu lebhaft wurde und zu schnell oder mit vollem Mund sprach, und dennoch brachte er es nicht über sich, das Thema ihrer Taubheit anzusprechen. Den blinden Jungen in der Schule fragte auch niemand, wie er das Augenlicht verloren hatte – er würde es irgendwann von selbst erzählen (Keller, Rohrbombe) –, und es war undenkbar, den Schwimmer im Fitneßclub zu fragen, warum er eine Beinprothese trug. Das tat man einfach nicht. Es war unhöflich, weil man dadurch die Aufmerksamkeit darauf lenkte, daß diese Leute anders waren.
    Dana wartete, bis sie mit dem Essen fertig waren, der Kellner ihre Teller abgeräumt hatte und sie stirnrunzelnd die Dessertkarte studierten. Sie hob den Kopf und sagte: »Ich weiß ja nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich muß dir was sagen.« Sie hielt inne, hielt ihn mit ihrem Blick fest und fuhr dann fort, so laut, daß die Leute am übernächsten Tisch sich nach ihr umdrehten. »Ich bin taub. Stocktaub. Ich höre erst ab knapp unter hundert Dezibel. Weißt du, was das heißt?«
    Er schüttelte den Kopf. Das ganze Restaurant hörte zu.
    »Ich höre gar nichts.«
    Er dachte über eine Antwort nach. Was konnte er sagen? Tut mir leid? Macht doch nichts? Das Tiramisu sieht gut aus? Sie fand es zum Lachen. Ihre Schultern zuckten, ihre Augen blitzten. Sie strahlte ihn über den Tisch hinweg so triumphierend an wie die Gewinnerin in einer Quiz-Show. »Ich hab dich ganz schön reingelegt, was?« sagte sie keuchend und lachte, bis er einstimmte und sie beide auf den Tisch schlagen mußten, um nicht davonzuschweben.
    Die Sache kam nur langsam in Gang – sie hatte zu tun, er hatte zu tun –, aber sie hangelten sich von Verabredungen (Sushi, Thai, Kunstmuseum, Kino, Strand) zu weniger formellen Treffen, und ehe sie’s sich versahen, konnten sie nicht mehr ohne einander auskommen. San Roque war ein kleines Küstenstädtchen mit 89000 Einwohnern, wenn man der Zahl auf dem Schild an der Ortsgrenze glauben durfte – auf dem Höhepunkt der Saison wohnten dort etwa doppelt so viele –, und von seiner Wohnung zu ihrer brauchte man nur zehn Minuten durch ruhige, unverstopfte Straßen. Es war keine große Sache, mal eben vorbeizuschauen, eine Nachricht zu hinterlassen, kurz Kaffee zu trinken oder spontan in ein Konzert zu gehen (ja, sie mochte Konzerte, ganz gleich, ob Klassik, Jazz oder Rock, und konzentrierte sich auf die Körpersprache der Musiker, als sähe sie Ballettänzern zu). Es verging kaum ein Tag, an dem sie sich nicht sahen oder wenigstens per E-Mail oder Instant Messenger miteinander kommunizierten. Sie war plötzlich da und füllte eine Leere in seinem Leben. Er war verliebt. Und sie ebenfalls. Er wußte die Zeichen zu deuten

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