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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lichtfunken zurückwarfen, und um den Hals eine silberne Kette mit einem silbernen Kreuz. Die Frau sah ganz unauffällig aus, wie tausend andere Frauen in tausend anderen Tacobuden, Restaurants und Pupuserias , eine Frau, die wußte, wie sich Mörser und Stößel anfühlten und welche Konsistenz die Harina haben mußte, damit man sie zwischen den Handflächen zu einem flachen Fladen formen konnte. Aber wer war sie? Hatte sie einen tauben Sohn? Eine taube Schwester? War sie vielleicht selbst taub? Ober fühlte sie sich bloß überlegen? War sie voller Verachtung? Oder Haß?
    Alles stand still, bis auf den rechten Arm des Kochs, der so klein und zierlich war, daß er der Bruder der Kassiererin hätte sein können. Der Arm bewegte sich rhythmisch, wenn er die Pfanne über der Gasflamme rüttelte. Nach einer Weile sah Dana Bridger an und gebärdete: Woher wußte sie das? Er zuckte nur die Schultern und hob hilflos die Hände. Als ihr Essen fertig war, ging er zur Theke, holte einen Pappteller ab und stellte ihn vor Dana hin. Was darauf lag, hatte keine Ähnlichkeit mit einer Tostada : Erstens fehlte die Muschel, zweitens das Salatblatt. Das Ganze sah eher aus wie in Sauce und geschmolzenem Käse ertränkte Innereien.
    »Stimmt was nicht?« fragte Bridger, den Mund voll Reis und Bohnen. »Keinen Hunger?«
    Widerwillig und ganz langsam schob sie den Teller mit der Fingerspitze von sich. Es lohnte sich nicht, die Sache zu erklären. Sie ließ ihre Hände sprechen: Nein. Jetzt nicht mehr.
    »Willst du fahren?« fragte er. Sie standen vor dem Restaurant, der Wagen gleißte im Sonnenlicht. Dana war das Klima an der Küste gewohnt, und hier im Binnenland war es heißer, als sie erwartet hatte. Die Hitze machte sie schläfrig, und sie bemerkte weder die Frau, die sie durch das Fenster der Taqueria beobachtete, noch die beiden Eidechsen, die einander durch den Staub jagten, oder die raschelnden, vergilbten, klauenförmigen Eichenblätter zu ihren Füßen. Nein, sie wollte nicht fahren. Sie wollte auf den Bildschirm sehen und alles andere ausblenden, und das ließ sie ihre Hände mitteilen. Kurz darauf lag die Stadt hinter ihnen, und nur die Vibrationen der Stahlgürtelreifen, die das Luftkissen, auf dem sie fuhren, umschlossen, verrieten ihr, daß sie fuhren.

SECHS
    In der Wohnung gab es zwei richtige Schlafzimmer – eins für Madison, das andere für Natalia und ihn – und einen weiteren Raum, den die Maklerin »das Nähzimmer« genannt hatte. Beziehungsweise »das Kinderzimmer«. »Oder«, hatte sie mit einem koketten, berechnenden Blick zu ihm gesagt, »Sie richten hier Ihr häusliches Büro ein – wenn Sie mal genug von den Patienten haben.« Es war klein, nicht viel größer als die Zelle, die er sich im Gefängnis von Greenhaven mit Sandman geteilt hatte, aber man konnte die Bay und die hohe, gesprenkelte Pyramide des Mount Tam sehen, und Natalia hatte bei einem ihrer ausgedehnten Antiquitäten-Kauftrips einen Schreibtisch aus Eichenholz und zwei dazu passende Aktenschränke sowie eine Tiffany-Lampe gefunden. So hatte er nun ein Büro. Er schloß Computer und Drucker an und erledigte sein Zeug von hier aus. Die Computer in der Bücherei benutzte er nur für die heikelsten Transaktionen, die nicht zurückverfolgt werden durften. Madison sollte dieses Zimmer, aus Gründen, die auf der Hand lagen, nicht betreten, und auch wenn Natalia hereinkam, um sich einen Stift oder eine Schere auszuleihen, runzelte er die Stirn. Einmal allerdings, als er vergessen hatte, die Tür abzuschließen, war sie nackt hereingeschlichen und hatte ihm von hinten die Augen zugehalten. Sie hatte nicht flüstern müssen: Rat mal, wer ich bin...
    Er saß jetzt im Büro, an seinem Computer. Natalia gönnte sich einen Vormittag im Wellness-Institut, Madison war den ganzen Tag im Kindercamp, und er betrieb ein bißchen Recherche. Das war etwas, was er gut konnte, besser als gut. Seit mittlerweile drei Jahren lebte er recht angenehm davon, und zwar ganz unauffällig, und selbst wenn er sich einen Schnitzer leistete wie damals in Stateline, wo er die Nacht am Spieltisch verbracht hatte und angespannter, erschöpfter und vielleicht ein bißchen betrunkener gewesen war, als er sich eingestehen wollte, hatte er alles im Griff. Er hinterlegte die Kaution und sah zu, daß er wegkam – sollten sie doch einen anderen suchen, Dana Halter oder Frank Calabrese oder wen auch immer. Das kümmerte ihn nicht, nicht mehr, und hätte er sich nicht in Natalia verliebt,

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