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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mußte die Stimme heben, damit Peck ihn verstehen konnte, »und das mit Gina ist auch Scheiße.«
    In Pecks rechter Schläfe begann eine kleine Faust zu hämmern. »Wie meinst du das?«
    Dudleys Gesicht entfernte sich, flog ans andere Ende der Theke wie ein mit menschlichen Zügen bemalter Ballon und kam dann zurückgeschwebt. »Soll das heißen, du weißt es nicht?«
    Am nächsten Tag ging er nicht zur Arbeit. Ganz leise hörte er die Stimme seines Gewissens: Die anderen würden überlastet sein, es waren zu wenige Vorräte da, der Spüler würde nur herumsitzen und sich rechtslastige Kommentare im Radio anhören, und Skip würde so betrunken sein, daß er die Kruste der Pasteten anbrennen lassen und die Calzone zusammendrücken würde, bis sie wie ein überfahrenes Tier aussah. Doch die Reste seiner Arbeitsmoral waren kein Gegner für die Wut, die er empfand. Wofür arbeitete er eigentlich? Für wen arbeitete er? Zuerst wollte er nicht glauben, was Dudley ihm erzählte. Daß sie mit jemandem ausging, reichte schon, um seine Sicherungen durchbrennen zu lassen, aber daß sie mit Stuart Yan ausging – nein, daß sie mit ihm vögelte, daß sie sich von ihm ficken ließ –, überstieg seinen Verstand. Es hatte nichts, gar nichts damit zu tun, daß er Asiate oder Halbasiate war (und doch fragte Peck sich unwillkürlich, wie das Großmaul darüber dachte). Das Problem, das unmittelbare Problem, das ihm schwer wie ein Stein auf dem Herzen lag, war vielmehr, wie er anderen Leuten, irgendwelchen Leuten – Dudley, seinen Freunden, ehemaligen Kunden, den anderen an der Theke – ins Gesicht sehen sollte, wenn seine Frau sich von einem Schlitzauge vögeln ließ und er auch noch dafür bezahlte. Wenn er dafür bezahlte, daß sie den ganzen Tag wie eine Schlampe herumhing und sich vögeln ließ.
    Am nächsten Morgen stand er um zehn Uhr in einer Parkbucht an der Straße, die zum Haus ihrer Eltern führte. Es war Frühling, Spätfrühling, und das Grünzeug wuchs und wand sich zu Knoten, Gras schmiegte sich an die vordere Stoßstange, die Zweige der Bäume waren voller Laub, und trotzdem befürchtete er, sie könnte seinen Wagen entdecken – Silbermetallic mit Diamantsplittereffekt war nicht gerade eine Tarnfarbe. Andere Wagen fuhren vorbei, immer drei, vier auf einmal, als wären sie mit einem Seil verbunden, dann nichts, dann wieder drei, vier. In dem Baumwipfel, der sich über den Wagen neigte, hüpften Vögel herum, winzige schwarz-gelbe Dinger, die ihm vorher nie aufgefallen waren und wie Püppchen zwischen den Zweigen auftauchten und wieder verschwanden. Er machte sich kurz Gedanken darüber, ob sie das Wagendach mit ihren zähflüssigen weißen Exkrementen versauen würden, doch schließlich entfernten sie sich aus seinem Blickfeld, und er dachte nicht mehr an sie. Er wußte eigentlich nicht, was er hier wollte, unter einem Baum an irgendeiner Nebenstraße nach nirgendwo, er hatte keinen Plan, und doch pochte sein Herz jedesmal, wenn er das sich nähernde Zischen von Reifen hörte, heftig an seine Rippen. Er sah Pick-ups vorbeifahren, Wagen aller Marken und Größen, einen Jungen auf einer grünen Yamaha. Er roch die Sonne auf dem Asphalt. Nach einer Weile ließ er das Fenster ganz herunter. Das Radio flüsterte ihm zu, den leisen Rhythmus eines Songs, den er schon so oft gehört hatte, daß es war, als hätte er ihn selbst geschrieben. Eine Stunde kroch vorbei, zwei Stunden, drei.
    Er hatte vielleicht ein bißchen gedöst, schon möglich, doch mit einemmal war er hellwach, als hätte ihn jemand ins Gesicht geschlagen oder mit eiskaltem Wasser übergossen: Da war sie. Ihr Wagen. Der blaumetallic lackierte Honda, den ihr Vater ihr gekauft hatte, und sie saß am Steuer und trug die häßliche Sonnenbrille mit dem schwarzen Gestell. Ihre beiden kleinen weißen Fäuste umklammerten das Lenkrad wie Klauen und ruckten nach links und rechts, obwohl die Straße schnurgerade vor ihr lag. Hinten war der Kindersitz – Sukie, angeschnallt, einen neonorangefarbenen Teddybären im Arm, ihr Gesicht verschwommen –, und auf dem Beifahrersitz saß auch jemand. Der Wagen kam auf ihn zu – er hatte sich dieses Stück der Straße ausgesucht, weil es so übersichtlich war –, und das Ganze dauerte kaum zehn Sekunden, der Wagen war da und schon vorbei, aber dennoch erkannte Peck das Gesicht, so rund wie ein Beachball, die schläfrigen Augen, den verkniffenen, mickrigen Nachgedanken von einem Mund, und bevor er noch recht wußte, was er

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