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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Wort mit Bedeutung auf, »ist er auch. Ihr könnt ihn jetzt fangen.«
    Unwillkürlich murmelte Bridger: »Aber wie?«
    Die Sonne überglänzte die Fenster, irgend etwas Verschmiertes schwebte im Flechtwerk der trügerischen Spiegelungen. Bridger roch seinen eigenen Schweiß, eine urtümliche Ausdünstung, und Danas Schweiß roch er ebenfalls: prickelnd und säuerlich. Er wollte ein Bier. Er wollte an den Strand, ans Meer, er wollte Liebe, Frieden und Eintracht, aber statt dessen saß er in diesem stickigen Raum mit Radkos Vetter, der sich so kryptisch ausdrückte, daß er ebensogut in einer Fabrik in China die Zettel für die Glückskekse hätte schreiben können. »Wie?« wiederholte er.
    Milos strich sich die Strähnen aus dem Gesicht, die sogleich als Bündel glänzender schwarzer Vektoren wieder in seine Stirn fielen, griff ein zweites Mal in die Schublade und schob ihnen ein Stück Papier zu, auf dem die Nummer eines Postfachs in Mill Valley stand. »Das«, sagte er, »ist Adresse, wohin Rechnung geht. Für Handy. Die Adresse, die auf Rechnung steht, ist deine und die Festnetznummer auch. Aber Rechnung geht hierhin.« Er lächelte jetzt. »Sehr freundlicher Mann in Rechnungsabteilung. Ich glaube, ihr kennt ihn: Mr. Simmonds.« Wieder ein Schulterzucken. »Ein Kleinigkeit.«
    Die ungenauen Lippenbewegungen, der unausgewogene Akzent – Dana konnte bei ihm nicht vom Mund ablesen, und darum übersetzte Bridger für sie, so gut er konnte. Sie sah ihn aufmerksam an und setzte sich auf dem Stuhl zurecht. »Aber was machen wir jetzt damit?« fragte sie mit ausdruckslosem Gesicht.
    Milos’ Stimme klang nun schwungvoller, höher, als würde sie von einer leichten Brise angetrieben. »Du gehst hin«, sagte er. »Du bist Dana Halter, stimmt? Du kannst beweisen?«
    Sie nickte.
    »Dann das ist dein Postfach.«
    Am Sonntag morgen in aller Frühe fuhren sie in Danas Jetta von San Roque nach Norden. Bridger hatte es Radko persönlich sagen wollen – er hatte sich für die Liebe entschieden, für Beistand und Unterstützung, für Dana –, aber dann hatte er doch den leichten Weg gewählt: E-Mail. Tut mir leid, muß für eine Woche weg. Notfall. Bridger. PS: Bis nächsten Montag?
    Als sie San Roque auf der Küstenstraße verließen, hatten sie die Sonne im Rücken. Das Meer fing das Licht auf und warf es auf die Straße, und der Wagen war ein vorwärts springender Schatten, der ihnen immer ein kleines Stück voraus war. Dana saß mit ruhigem, entspanntem Gesicht auf dem Beifahrersitz. Ihr Haar war noch feucht vom Duschen, und sie hatte es so aufgesteckt, daß ihre Kinnlinie zu sehen war, der klare Winkel des Kiefers, ihr Ohr, gewunden und vollkommen wie eine Muschel. Sie hatte ihn an diesem Morgen lange im Arm gehalten, war dann einen Schritt zurückgetreten und hatte gebärdet: Ich liebe dich – der Zeigefinger wies erst auf ihr Herz, dann kreuzte sie die Hände zu einer Umarmung und zeigte schließlich auf ihn, und er konnte ihr nicht widerstehen. Am Abend zuvor hatten sie miteinander geschlafen, langsam und genußvoll, das Bett in der Dunkelheit und Stille des Raums ein Floß auf hoher See, und nun taten sie es abermals, auf dem Teppich im Flur, nachdem sie tropfnaß aus dem Badezimmer gekommen war und gebärdet hatte: Ich... liebe... dich .
    Wie er sich fühlte? Blank. Schimmernd. Poliert wie ein Edelstein. Das Radio war eingeschaltet, und Dana beugte sich über ihren Laptop, tippte etwas und sah dann wieder mit gespitzten Lippen und ins Unbestimmte gehendem Blick über die Wellenreihen, abgekoppelt von diesem Ort und Augenblick, von der Welt. Die Musik fuhr ihm in die Glieder, er schlug den Rhythmus auf dem Armaturenbrett. Ein alter Song, so vertraut wie sein Gesicht im Spiegel. Who, who, who, who, / Tell me who are you...

FÜNF
    Sie sah vom Bildschirm auf: Vor ihr breitete sich das Meer aus, die entfernten, scheinbar stillstehenden Wellen wie Fugen zwischen geschwungen geformten Kacheln, die Wolken wie verschüttete Milch, die Sonne wie Wachs – Metaphern, überall Metaphern –, und der dämmrige, tropfende Wald von La Bassine löste sich im Gleißen des Lichts auf dem Wasser auf. Bridger saß neben ihr, präsent und sichtbar, eine Hand am Lenkrad, die andere klopfte auf das Armaturenbrett. Sein Kinn hüpfte, seine Schultern hoben und senkten sich. Eins und zwei, eins und zwei. Und jetzt sang er, sang in vollkommener Stille und spitzte die Lippen, als wollte er alle Kerzen auf einem Geburtstagskuchen auf einmal

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