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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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tat, hatte er den Zündschlüssel gedreht und gab Gas.
    Wenn sie ihn nicht am Straßenrand bemerkt hatte, dann bemerkte sie ihn jetzt. Sie blickte in den Rückspiegel und wandte den Kopf zu Yan, der über seine Schulter nach hinten sah, und das reichte, um Peck ausrasten zu lassen, diese unwillkürliche Geste der Komplizenschaft, der Intimität: Sie stecken die Köpfe zusammen . Er schoß so schnell auf die Stoßstange des Hondas zu, daß er bremsen mußte, um ihn nicht von der Straße zu fegen. Und vielleicht hätte er das sogar getan, vielleicht hätte er sie von der Straße gefegt – er war ausschließlich von seinem Impuls getrieben, und jedes lebende Wesen auf dem Planeten war sein Feind –, wäre da nicht Sukie gewesen. Seine Tochter. Seine Tochter saß da drin, angeschnallt mitsamt ihrem Teddy, und er war derjenige, der sich falsch verhielt, der sie in Gefahr brachte. Er ließ sich eine halbe Wagenlänge zurückfallen, sicherheitshalber, denn Gina war die schlechteste, unkoordinierteste Fahrerin, die er je erlebt hatte, aber er blieb dran und fühlte sich wund, verletzt, verhöhnt. Er folgte ihnen, bis rechts der Straße eine Tankstelle in Sicht kam und Gina den Blinker setzte und einbog.
    Als würde ihr das etwas nützen.
    Im Nu sprang er aus dem Wagen und schrie etwas, er wußte später nicht mehr, was – Flüche, bloß Flüche und vielleicht auch Anschuldigungen –, und als er die Hand nach der Fahrertür des Hondas ausstreckte, stieg Stuart Yan schnaufend auf der anderen Seite aus, und ein Anzugträger an Zapfsäule 3 rief: »He, was ist denn da los?« Das einzige, an das er sich von diesen zerstückelten, verworrenen, aus seinem Leben herausgelösten Augenblicken erinnern konnte, waren Ginas Gesicht hinter dem geschlossenen Fenster und der verriegelten Tür – bleich, abweisend, ängstlich, entsetzt über das, was jetzt geschehen würde – und das Gesicht seiner Tochter. Es war wie eine große, offene Wunde, verletzt und verwirrt und gefangen in einem Wirbelsturm von Gefühlen. Dieser Ausdruck auf Sukies Gesicht brachte ihn beinahe zur Besinnung. Beinahe. Zu diesem Zeitpunkt lief er aber schon auf hochentzündlichem Stoff mit dreistelliger Oktanzahl, und darum gab er Yan einen Kick gegen den Kehlkopf, packte den Anzugträger – es war irgendein Makler, der eine zu hohe Meinung von sich hatte – und warf ihn auf die Motorhaube. Und dann? Die Mülltonne, der erstbeste Gegenstand aus Metall. Er hob sie hoch über den Kopf, Abfall flog herum, Pappbecher, Papiertücher, Getränkedosen, und dann schlug er damit gegen das Fenster, immer und immer wieder.
    Er hob den Blick vom Bildschirm und sah über die Bay, wo eine Kette Pelikane wie dürre Blätter über die Weite des Meeres wirbelte. Im Vordergrund war eine geschwungene Reihe von Palmen, wie in Florida oder Hawaii, sogar noch besser; die Motorhauben der Wagen auf den reservierten Parkplätzen – Jaguar, Mercedes, BMW – funkelten in der Sonne; Segelboote krochen vorbei wie fahrbare Statuen. Wenn Gina ihn jetzt sehen könnte. Er saß in einem Haus im Wert von einer dreiviertel Million Dollar, hatte einen neuen BMW , Geld auf dem Konto und eine Freundin, für die andere Männer gemordet hätten, und er beugte sich im Licht einer antiken Lampe über einen antiken Schreibtisch und recherchierte und manipulierte. Es war die Art von Tätigkeit, die immer eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt hatte, doch heute war er nicht ruhig. Und er war nicht glücklich. Heute nicht. Je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. In seinen Adern strömte das bittere Konzentrat derselben Wut, die damals über ihn gekommen war, als er Stuart Yan krankenhausreif geprügelt hatte. Und warum? Weil er nachlässig gewesen war, weil er sich hatte drankriegen lassen, weil Natalia das eine war, wovon er sich nicht trennen konnte. Dana Halter war nicht das Problem, das sah er jetzt. Aber Bridger. Bridger Martin.
    Sobald er die Handynummer herausgefunden hatte, war der Rest kein Problem gewesen. Er hatte im Internet ein rückläufiges Telefonbuch gesucht, um die Telefongesellschaft zu ermitteln, dann rief er den Kundenservice an und stellte sich als Sergeant Calabrese vom Betrugsdezernat der Polizei von San Francisco vor. Die Frau am anderen Ende der Leitung, ob sie nun in Indien oder in Indiana saß, verlangte keine Legitimation, dabei besaß er einen echten Polizeicode, den er in Fällen wie diesem einsetzen konnte. Sie suchte die zu dem Anschluß gehörenden

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