Talk Talk
dann hätte er bis an sein Lebensende in Marin bleiben können, ein Arzt im maßgeschneiderten Anzug und dem Kalbsledermantel, den er im letzten Winter gekauft hatte. Geld umsonst und die Bräute gratis – so hieß es doch in diesem Song, oder?
Beim erstenmal aber, als er noch Peck Wilson gewesen war und seine vierjährige Tochter geliebt hatte – Sukie hatte er sie genannt, Silky Sukie –, war das Gesetz eine Fußfessel gewesen, ein Würgeisen, eine Zwangsjacke, die ihm die Luft abschnürte und das Blut nicht zum Herzen gelangen ließ. Gina verließ ihn und nahm ihre Tochter mit. Sie kehrte zu ihrem großmäuligen, sturköpfigen Vater zurück, und warum? Weil er ein Hurensohn war, eine Ratte, ein Schleimscheißer, weil er sie betrog und ein schlechter Vater war und sie ihn nie wiedersehen wollte. Und wenn er es wagte, sie auch nur anzurühren, wenn er auch nur im Traum daran dachte...
Was weder sie noch der Anwalt erwähnten, war die Art, wie sie ihn behandelt hatte: als wäre er nur ein Beschäler gewesen, der den Genpool ein wenig auffrischen sollte, damit die Marchetti-Dynastie eine Enkelin und Erbin bekam, die schöner war als eine Königin und doppelt so intelligent wie alles, was sie aus eigener Kraft auf die Beine hätten stellen können. Allein dazu also hatte er gedient, und außerdem hatte er das Bankkonto mästen und Tag und Nacht ackern sollen, bis er nicht mehr wußte, wo oben und unten war. Ohne sie und mit der sturen Feindseligkeit ihres Alten ging das Lugano innerhalb von einem halben Jahr den Bach runter. Der Staat trat auf den Plan und schloß das Restaurant, weil Peck die Umsatzsteuer schuldig geblieben war – die hatte er zurückhalten müssen, um die Lieferanten zu bezahlen –, und die Pizzeria lief schlecht. Aber in dem Scheidungsurteil – er hatte nicht in die Scheidung eingewilligt, war aber zu erschöpft gewesen, um sie anzufechten – stand, wieviel Unterhalt er zu zahlen hatte und wie viele Stunden, Minuten, Sekunden er mit seiner Tochter verbringen durfte. Na gut. Er zog in eine kleinere Wohnung und ließ es krachen. Caroline, Melanie und dann diese Frau aus der Buchhandlung im Einkaufszentrum, wie hieß sie noch mal? An den Sonntagen fuhr er mit Sukie in den Depew Park, wo sie die Enten fütterten, oder zum Zoo in Bear Mountain, oder sie nahmen den Zug in die Stadt, um sich den neuesten Kinderfilm oder die Weihnachtsdekoration bei FAO Schwarz anzusehen.
Selbst jetzt, als er am Schreibtisch saß und die Informationen ihm zuflossen wie ein Geschenk der Götter, wußte er noch, wie er sich gefühlt hatte, als er dahintergekommen war, daß Gina einen anderen hatte. Er hatte sich gehenlassen und nur noch höchstens jeden zweiten oder dritten Tag trainiert. Er hatte zuviel getrunken, hatte für Frauen, die keinen Finger für ihn rührten, mehr Geld ausgegeben, als ihm guttat, und sich von der Arbeit auffressen lassen. Eines Abends ging er, nachdem er die Pizzeria abgeschlossen hatte, in einen Club, in dem an den Wochenenden Bands auftraten. Er stand an der Bar, wartete darauf, daß Caroline von der Toilette zurückkehrte, und dachte an nichts Besonderes, als ihm jemand den Arm um die Schultern legte. Es war Dudley, einer der Kellner im Lugano, der, der immer in den Kühlraum ging und Joints rauchte. »Hallo«, sagte Peck.
»Hallo. Was läuft so?«
Dudley war neunzehn oder zwanzig. Seine Haare waren zu blonden Dreadlocks verfilzt, er hatte eng beieinanderstehende Augen, ein breites, bekifftes Grinsen und Tätowierungen bis hinunter zur Taille. Weiter hatte er sich im Restaurant nie entblößt, aber den Rest konnte Peck sich vorstellen. Dudley war ein Mann – nein, ein Typ –, der vermutlich einen Drachenkopf zwischen den Beinen hatte.
»Nicht allzuviel«, antwortete Peck, und dann schilderte er ihm in allen Einzelheiten sämtliche Widrigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte und von denen seine Zicke von Frau nicht die kleinste war, und dann kam Caroline zurück, und sie tranken eine Runde Jägermeister, und die Band hämmerte irgendein Nirvana-Stück, und sie standen einfach nur da und nickten im Takt. Als die Band eine Pause machte, ging Caroline raus, um eine zu rauchen, und Dudley stemmte die Ellbogen auf die Theke, beugte sich vor und sagte: »Scheiße, das mit dem Restaurant.«
Das stimmte. Peck gab ihm recht. An der Tür war Bewegung, Leute kamen herein, andere gingen hinaus. Jemand steckte Geld in die Jukebox, und wieder setzte laute Musik ein.
»Ja«, sagte Dudley und
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