Talk Talk
Republikaner: Sperrt sie ein und werft den Schlüssel weg! –, aber Sandman war anders. Er war gebildet. Er glaubte an etwas: an die Umwelt, saubere Luft, sauberes Wasser. Der Mann konnte stundenlang über die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts oder die Wiedereinbürgerung von Wölfen reden oder darüber, daß der Kapitalismus alle Rohstoffe der Welt aufsaugte und sie in Form von Fönen – Föne waren ein echter Fimmel von ihm – und Dollars wieder ausspuckte. Er war eins zweiundneunzig groß und beinahe am ganzen Körper tätowiert, und seiner Statur hatte er im Fitneßraum den letzten Schliff gegeben. Sandman war nicht viel älter als Peck, aber er zeigte ihm, wo es langging. »Du kennst doch den Spruch: ›Sei alles, was du sein kannst!‹ Du weißt schon, dieser Werbeslogan für die Army. Und ich sage dir: ›Sei jeder , der du sein kannst!‹«
Er sprach über das Internet. Er sprach über die Gier der Kreditkartengesellschaften, über Online-Leasingverträge, Kredite, Sozialversicherungsnummern, die man an Schnellimbißtheken und Tankstellen abgreifen oder auf einem halben Dutzend Internetseiten für fünfundzwanzig Dollar das Stück kaufen konnte. Er sprach von Photoshop und Farbkopierern, von amtlichen Siegeln, Icons und Hauptidentifikatoren. Das volle Programm. Sei jeder, der du sein kannst!
Zweihundert Dollar. Das war das Geld, das sie einem in die Hand drückten, wenn man rauskam, nach elfeinhalb Monaten, in denen man Kohl gehackt, Zwiebeln geschnitten und den Gestank des Grills aufgesaugt hatte: Burger, Hot dogs, Hackfleisch, Filetstreifen, die schmeckten, als wären sie gedörrt, eingeweicht und nochmals gedörrt worden. Die meisten dieser Gehirnamputierten gaben das Geld gleich am ersten Tag für Frauen oder Drogen aus, und dann saßen sie wieder auf der Straße und versuchten, kleine Dinger zu drehen, während ihr Bewährungshelfer nur auf die Gelegenheit wartete, sie wieder in den Knast zu schicken. Aber nicht Peck. Nicht William Peck Wilson.
Er fuhr sofort zurück nach Peterskill, zu dem Ärztehaus an der Route 6, wo die Orthopäden, Urologen und Kinderärzte ihre Praxen hatten. Hinter dem Haus standen die Müllcontainer. Er brauchte etwa eine Stunde, in der er wie ein arbeitsloser Einwanderer auf der Suche nach Pfanddosen im Müll stocherte, und dann hatte er gefunden, was er suchte: einen Stapel aussortierter Krankenblätter mit Namen, Adressen, Geburtsdaten und Sozialversicherungsnummern. Peck setzte sich in eine Bar, bestellte einen Scotch und rief Dudley, den Kellner, an, denn er brauchte jetzt vor allem zweierlei: einen fahrbaren Untersatz und die nötigen Papiere. Dudley war, nahm er an, genau der richtige Mann, um ihm einen gefälschten Führerschein zu besorgen, denn er war schon mit Sechzehn durch die Clubs gezogen, und das in einem Bundesstaat, in dem man erst mit Einundzwanzig Alkohol trinken durfte. Peck wurde nicht enttäuscht. Für nicht mal die Hälfte des Entlassungsgeldes bekam er eine Sozialversicherungskarte und einen Führerschein mit Farbfoto, und zwar auf den Namen irgendeines Patienten. Der Rest war ganz einfach. Mit den hundert Dollar, die er noch hatte, eröffnete er ein Konto. Dann kaufte er per Scheck alle möglichen Sachen, die er gegen Barzahlung weiterverkaufte, nahm sich ein Hotelzimmer und beantragte Kreditkarten bei Visa und American Express. Sobald die Karten da waren, fuhr er mit einem Taxi zum örtlichen Harley-Händler. Eine Harley hatte er schon immer haben wollen, seit dem Tag, an dem er als Kind Easy Rider im Fernsehen gesehen hatte, und Sandman hatte ihn bei ihren nächtlichen Phantasieausflügen kräftig darin bestärkt: In den Schatten hatte sich eine ganze Landschaft aufgetan, sie war erblüht wie eine vollkommene, leuchtende Blume, und die Vision war so intensiv gewesen, daß er den Wind in den Haaren spüren und das Sonnenlicht wie flüssiges Gold auf der Straße vor sich hatte sehen können.
Der Händler war ein leicht hinkender Langhaariger mit fettem Gesicht. Er trug eine Harley-Lederjacke über einem bestickten weißen Hemd, und irgendeine Rennmedaille hing an einer Schnur um seinen Hals. Er schöpfte nicht den Hauch eines Verdachts. Und Peck Wilson setzte sich mit ihm hin und unterschrieb säuberlich alles, was zu unterschreiben war, mit seinem neuen Namen. Die Kreditberichte waren erstklassig, und während sie einander noch Geschichten über abartige Geschwindigkeiten, böse Unfälle und die wilden Kerle erzählten, die sie
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