Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
sie über die Armlehne des Sofas und landete auf den Füßen. Ihr Blick war wie ein Peitschenhieb. Sie hielt die Fäuste an den Seiten geballt. »Was sagst du zu mir seit Monaten, was sagst du zu mir? Ich soll sein Mrs. Halter. Mrs. Halter! Und wer soll ich jetzt sein? Mrs. Niemand? Ja?«
    Er machte einen Schritt auf sie zu, und sie wich bis zu der Doppeltür zurück, die zur Terrasse führte. »Halt den Mund«, sagte er. »Halt einfach den Mund. Wir fahren morgen früh, sehr früh. Also pack diesen Mist« – er raffte einen Armvoll Kleider vom Sofa – »in deine Scheißkoffer und schaff deine Scheißkoffer in den Scheißwagen, verstanden?«
    »O ja, ich habe verstanden« – sie rieb jetzt doch ihren Arm –, » Mister Martin, wenn das überhaupt dein richtiger Name ist. Ist das dein richtiger Name? Na, Bridger ? Ist das dein Name?«
    Er hatte keine Zeit für so was. Ein Mann und eine Frau – zwei Substantive, die mit der Kraft einer Offenbarung in seinem Kopf dröhnten. Sie wußten, wie er aussah, sie wußten, wo er wohnte. Sie waren vielleicht gerade jetzt da draußen und beobachteten ihn. Er sah an Natalia vorbei durch die Fenster und über die Terrasse, wo die Farben sich zur Nacht verdunkelten und das Meer am grauen, verschwimmenden Strand schwarz geworden war. Etwas in ihm klaffte auf – er hatte keine Zeit – , genau in dem Augenblick, als Madison aus ihrem Zimmer kam und mit dünner, quengelnder Stimme »Mommy« rief. Beide sahen sie an. »Ist schon gut«, hörte er sich sagen. »Ich hab was zu essen mitgebracht. Hier. Im Flur.«
    Sie saßen am Küchentisch, ein friedliches Zwischenspiel. Kerzen brannten, in den Gläsern war Wein, sie führten die Stäbchen zum Mund, und Madison, deren Lebensgeister wieder erwacht waren, erzählte von einem Film, in dem ein Hund und eine Katze durch das Land wandern, als es läutete. Während des Essens hatte er den inneren Motor auf Leerlauf geschaltet – essen war etwas Heiliges, ganz gleich, wie verrückt die Situation war, denn wenn man sich zum Essen nicht in Ruhe hinsetzte, war man nicht mal zivilisiert –, aber jetzt drehte er unvermittelt auf, so unvermittelt, daß er gar nicht wußte, wie er durch die Doppeltür und auf die Terrasse gekommen war, wo er sich daranmachte, in das ein Stockwerk tiefer gelegene Blumenbeet zu springen. »Ich bin nicht da«, rief er Natalia zu und schwang ein Bein über das Geländer. »Du hast meinen Namen noch nie gehört.« Als er an beiden Armen am Geländer hing, ließ er sich fallen.
    Rennend, mit pumpenden Armen und Beinen, brauchte er volle sechzig Sekunden, bis er an der Straßenfront der Häuser war, wo er sich hinter Ranken und Zweigen verbarg. Vor dem Eingang standen zwei Gestalten – ein Mann und eine Frau –, und gerade öffnete Natalia die Tür. Der Mann – Mitte Zwanzig, weich, mit Igelfrisur, zweifarbiger Jacke und den schwarzen, viel zu großen Jeans, die Straßenkids und Clubbesucher trugen – sprach Natalia an, während die Frau (und hier traf es ihn wie ein Keulenschlag: Dana Halter, sie war Dana Halter in Fleisch und Blut ) da stand wie eine Wachsfigur. Und sie war tatsächlich eine Augenweide. Sie hatte Natalias Haar, dick und dunkel, doch bei ihr fiel es in Wellen lose über den Kragen ihrer braunen Jacke, und sie war größer als Natalia und ließ die Schultern hängen, weil die Situation ihr unangenehm war. Jemand hatte ihre Identität übernommen und ihr Leben durcheinandergebracht, und sie ließ die Schultern hängen, weil sie sich schämte. Allerdings nicht so sehr, daß sie es einfach aufgegeben und das Ganze den Kreditkarten- und Versicherungsleuten überlassen hätte. Das machte ihn stutzig. Wer war sie? Warum tat sie das? Wollte sie Rache, war es das? Und dieser Typ, Bridger – was hatte der damit zu tun?
    »Sie schon wieder?« Natalias Stimme war hart und gereizt. »Ich habe Ihnen doch gesagt. Ich habe Ihnen doch schon gesagt.«
    »Frank Calabrese«, sagte der Mann. »Ist der da?«
    »Wer?«
    Er wiederholte es. In seiner Stimme war etwas Flehendes. »Hören Sie – wir sind Opfer eines Verbrechens, oder vielmehr: Sie ist Opfer eines Verbrechens.« Er zeigte auf die Frau. »Meine Verlobte. Sie ist... Jemand hat ihre Identität gestohlen. Wir suchen einen Dana Halter. Oder Frank Calabrese. Sind Sie sicher, daß er nicht da ist? Frank?«
    Er hockte hinter den Büschen; er würde sich nicht hinknien und für nichts und wieder nichts einen Fleck in die Boss-Twillhose machen. Er prägte sich die

Weitere Kostenlose Bücher