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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dem Gebüsch kommen und dem Typ an Ort und Stelle die Gräten brechen und ihn zerlegen könnte, und ihr ebenfalls – ein bißchen angewandte Abschreckung, um die Sache hier und jetzt zu beenden. Aber nein, das war nicht die richtige Methode. Die richtige Methode bestand darin, die Verluste abzuschreiben und zu verschwinden. Er hatte noch immer Natalia, er hatte Geld und einen nagelneuen Mercedes S500 in Bordeauxrot. Peterskill war zwar nicht gerade Mill Valley, aber das bunte Herbstlaub und der Schnee zu Weihnachten und all das hatten ihm doch gefehlt, und wenn er sich dort erst mal etabliert hatte, würde es gar nicht so schlecht sein. Und außerdem war da noch Florida. Im Winter nach Florida. Und vor ihnen lag die ganze weite Reise, bei der sie nichts weiter zu tun hatten, als sich das Land anzusehen, sich zurückzulehnen und die Fahrt zu genießen.
    Er blieb lange im Gebüsch, beobachtete das Heck des Wagens und ließ seinen Gedanken freien Lauf: Natalia würde eine Szene machen, klarer Fall, und keine Ruhe geben, bis er sie in den Mercedes gesetzt und die Haustür geschlossen hatte. Die Geschichte, die in seinem Kopf Gestalt annahm und die er während der Fahrt durch das Land gehörig ausschmücken würde, hatte mit seinem Bankrott zu tun, mit den Restaurants. Er hatte irgendeinen Namen angenommen, damit die Sache wieder ins Lot kam und er Zugriff auf seine Investitionen hatte, und selbstverständlich würden sie das Haus als Sommerhaus behalten, weswegen sie das Geschirr, die Handtücher, das Besteck nicht mitzunehmen brauchten, und glaubte sie vielleicht im Ernst, er würde seine Weine einfach einem anderen überlassen? Er stützte sich mit der Faust auf den feuchten Boden, um die Knie zu entlasten. Ein scharfer Geruch hing in der Luft, ein Geruch nach messerförmigen Blättern und Eukalyptusknospen, die in Fäulnis übergingen. Jenseits der Rasenfläche, dicht bei den Häusern, zischte entweichende Luft, und dann spritzte Wasser aus einer Reihe von Rasensprengern. Und endlich leuchteten die Bremslichter des Jettas auf, der Wagen setzte zurück, glitt über den Parkplatz und verschwand im schwarzen Griff der Nacht.
    Als man ihn aus dem Gefängnis entließ, verbrachte er nicht viel Zeit damit, seine Wunden zu lecken und darüber nachzudenken, was hätte sein können, was Gina ihm angetan hatte, wieviel Schweiß, Mühe und Herzblut er in das Pizza Napoli gesteckt hatte und daß er jetzt bankrott war, ein Vorbestrafter, der nicht mal mehr einen silberfarbenen Ford Mustang besaß, weil er den, wie alles andere, hatte verkaufen müssen, um den fischköpfigen Anwalt zu bezahlen. Nein, dazu war er zu klug. Diese Klugheit hatte er sich da drinnen angeeignet, in den Zwölf-Tonnen-Nächten in seiner Zelle und den Zombie-Tagen, wenn er Gemüse putzte und allem Ärger aus dem Weg ging – und er hatte hart daran arbeiten müssen. Es war schwer, sich zu zügeln. Sich tief in sich selbst zurückzuziehen. Die Wut zu beherrschen, die jede Minute eines jeden Tages in ihm pochte wie ein Hammer. Denn da drin gab es ein paar wirklich schräge Typen, deren einziger Lebensinhalt es war, einem das Leben schwerzumachen, und wenn man es ihnen mit gleicher Münze heimzahlte, verlängerte sich die Strafe. Er kannte diese Geschichten. Und darum zog er den Kopf ein und strich einen Tag nach dem anderen auf dem Kalender aus, und wenn es hart auf hart kam, ließ er seine Hände für sich sprechen, schnell und unbarmherzig, so schnell, daß niemand den Schlag kommen sah, und falls dann irgendein Arschgesicht mit zugeschwollenen Augen und gebrochener Nase ins Krankenquartier gebracht werden mußte, hatte er nicht das geringste damit zu tun. Er war nicht wie die anderen – unter all den unschuldigen Opfern widriger Umstände war er der einzige, der wirklich nicht dorthin gehörte, denn er hatte nichts getan, was ein anderer an seiner Stelle nicht auch getan hätte, und er hatte keineswegs vor, die Dinge weiter zu komplizieren, indem er andere Leute an sich heranließ. Das war der erste Schritt zur Klugheit.
    Und dann war da noch Sandman. Die Sandman-Schule.
    Sandman war herumgekommen. Seine letzte Gesetzesübertretung hatte leider ein gewisses Maß an einfacher körperlicher Gewalt erfordert, und deswegen saß er jetzt hier ein, bei den Gewaltverbrechern. Ebenso wie Peck. Die restlichen Häftlinge waren Versager, die Art von Idioten und Kotzbrocken, die nichts anderes verdient hatten – nach einem Jahr im Knast kam Peck sich vor wie ein

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