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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schlichten, animalischen Befriedigungen: Zucker, Sahne, Koffein. Er griff nach dem zweiten Becher. Erinnerungen weckend und dennoch in die Zukunft weisend, erfüllte der Duft nach Kaffee den Raum. »Sehr nett«, schloß sie. Ihre Finger zupften an der Tüte mit den Croissants, während sie am Café Latte nippte und ihm ein schimmerndes, unkompliziertes Lächeln schenkte.
    Sie waren Komplizen. Er war dankbar, dankbar dafür, daß sie viel für ihn aufgab, dankbar für ihren Glauben und ihr Vertrauen, und in diesem Augenblick gelobte er sich, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sich dessen würdig zu erweisen. Er setzte sich auf die Rückenlehne des Sofas, strich mit der Hand über die Seite ihres Gesichtes, liebkoste ihr Ohr und ließ ihre Haare durch die Finger gleiten. »Ja«, sagte er, »ich bin ein netter Mensch.« Und er meinte es ganz ernst.
    Der Kaffee wärmte ihm noch den Bauch, als er Madison aus dem Bett hob und hinunter zum Wagen trug. Sie hatte sich, den Daumen im Mund, ganz zusammengekrümmt, und das Haar fiel in seidigen Wellen über ihr Gesicht. Er hob sie hoch, mit Bettzeug und Decken und allem, Wärme stieg von ihr auf wie von einem Heizöfchen, im Traum bewegten sich die Pupillen unter ihren Lidern, und wie konnte er nicht an Sukie denken, seine eigene Tochter in Peterskill, die ihm so fremd, so entrückt war wie ein Alien von einem fernen Planeten? Als er Madison auf den Rücksitz bettete und die Decke über ihre nackten Füße faltete, hatte er für einen Moment das Bild der beiden vor Augen: zwei Mädchen im Park – im Depew Park in Peterskill –, die Hand in Hand durch Löwenzahn und goldgelbes langes Gras liefen. Ihre weißen Beine leuchteten im Gleichtakt auf.
    Es war ein Fehler, nach Peterskill zurückzukehren, das wußte er, das hatte er schon immer gewußt. Doch sein Blut sang ihm dieses Lied vor – es war das, was er kannte, und seine Tochter war dort. Es gab ein Haus in Garrison, tief im Wald, mit Blick über den Hudson, spätes neunzehntes Jahrhundert, Stein, mit handbehauenen Dachbalken, umgebaut im – wie Sandman es ausdrückte – vorherrschenden bourgeoisen Stil und ausgestattet mit allem, was die Konsumgüterindustrie hergab. Er brauchte nur zuzugreifen: 5500 pro Monat, inklusive Kaufoption. Sandman steuerte die Anzahlung bei und bearbeitete die Besitzer, die sich in Florida zur Ruhe setzen wollten, jedoch nicht ganz sicher waren, ob sie das Haus auch wirklich verkaufen wollten; die Kreditanfrage war bereits erledigt, und alle Papiere warteten nur noch darauf, daß Bridger Martin in die Stadt kam und seine Unterschrift daruntersetzte. Und das war auch gut so, denn nach ihrem ausgedehnten Urlaub und dem Vagabundendasein würde es sehr schön sein, dort anzukommen und neu anzufangen. Die Schulen waren tatsächlich gut, und in Manhattan konnte Natalia einkaufen bis zum Umfallen. Da, wo er früher herumgehangen hatte, würde er sich allerdings nicht blicken lassen. Er wollte niemanden treffen, nicht mal seine Mutter – besonders die nicht. Oder Gina. Es wäre nicht gut, wenn ihn jemand Peck nannte, jetzt nicht mehr. Aber der nächste Ort war ohnehin Garrison, und er würde die meiste Zeit in New York verbringen. Und was Sukie betraf, so würde er sich mit dem Anwalt in Verbindung setzen und ihn diskret dafür sorgen lassen, daß die sonntäglichen Besuche wiederaufgenommen werden konnten. Für sie würde er einfach Dad sein, nicht Peck oder Dana oder Frank oder Bridger – bloß Dad , und niemand würde sich was dabei denken. Aber vielleicht war alles ein Traum. Vielleicht würden ihn bei McDonald’s die Bullen erwarten, denn warum sollten Gina oder ihre Mutter sich darauf einlassen?
    »Du bist fertig?« Natalia ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten. Sie trug einen rosaroten Mützenschirm mit einem Designerlogo, der fünfzig Scheine gekostet hatte, mindestens. Als sie seinen Blick bemerkte, sagte sie: »Für Reisen. Für die Sonne. Ist in Las Vegas nicht viel Sonne?«
    »Ja«, sagte er zerstreut, »ja, na klar. Gute Idee.« Er drückte auf den Knopf der Fernbedienung, das Garagentor öffnete sich, und bleiches Morgenlicht strömte herein. Er dachte an all das, was sie zurückließen, er dachte daran, daß alles, von seinen Messern über seine Töpfe bis hin zum Viking-Konvektionsherd und der neuen Mikrowelle, hierbleiben würde, bis die Wohnung verkauft war, und daß dann alles, was die neuen Besitzer nicht haben wollten, im Müll landen würde. Nichts bereuen, ermahnte er

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