Talk Talk
Wahrscheinlichkeit scherte. »Tu’s einfach.«
»Scheiße, warum befragen wir nicht ein Orakel?«
»Fahr raus.«
Er nahm den Fuß vom Gas, und es war, als wären sie einen Meter über der Straße geflogen und setzten nun rumpelnd auf. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Andere Wagen überholten sie. Blinker leuchteten, hinter Glasscheiben waren Gesichter auszumachen. Er befand sich auf einer Schnellstraße und fuhr der Sonne entgegen, unter ihm summten die Reifen, und die Klimaanlage blies ihm kühle Luft ins Gesicht. Links schob sich ein Geländewagen vorbei, und zwei Kinder, Junge und Mädchen, winkten ihm zu, während ihr Hund – eine Art Terrier, der aussah, als trüge er einen falschen Schnurrbart – zwischen ihnen erschien. Und dann, er wußte wirklich nicht, warum, reihte Bridger sich in den Verkehr in Richtung Tahoe ein.
Was war es? Glück? Schicksal? Eine besondere Empfänglichkeit für die Musik der Sphären? Jedenfalls würde er sich sein Leben lang an den Augenblick erinnern: Gleich an der ersten Zufahrt stand, als wäre er absichtlich und mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN auf dem Seitenfenster gut sichtbar vor dem Restaurant geparkt worden, ein bordeauxroter Mercedes mit Händlerkennzeichen.
VIER
Während der ganzen Fahrt nach Sacramento, an San Quentin vorbei und über die Brücke, durch Richmond, Vallejo, Cordelia und Vacaville, schlief Madison. Die heiße Schokolade wurde kalt, die Éclairs blieben unberührt. Die Musik – einen Reggae-Mix, den er selbst heruntergeladen hatte, das meiste von Marley und rings um Live- und Studioversionen von »I, Rebel Music« arrangiert, einen Titel, den er nicht oft genug hören konnte – stellte er leise, damit sie nicht aufwachte, und das war wirklich ein Zeichen von Verantwortungsbewußtsein, denn er fühlte sich so locker und befreit, so erfüllt von einem inneren Feuer, und er wollte die Flammen aus den neuen Spitzenlautsprechern schlagen lassen. Aber eine schlafende Madison war einer Madison im Wachzustand eindeutig vorzuziehen, und so beherrschte er sich. Und obgleich er dem Wagen gern die Sporen gegeben hätte, um zu sehen, was er hergab, blieb er auf der rechten Spur und fuhr konstant hundert. Auf dem Weg nach Vegas und durch die Wüste Richtung Osten würde es noch genug Gelegenheiten geben. Er sah es vor seinem geistigen Auge, es war ein Schnappschuß aus der Zukunft: rotgesäumte Wolken zogen über den Felssäulen und Zacken des Wüstengebirges auf, Natalia schlief und hatte den Kopf in seinen Schoß gelegt, Madison saß auf dem Rücksitz und war ganz still, und der Rhythmus, der aus den Lautsprechern drang, verschmolz mit dem Donnern der ungezügelten Pferde unter der Motorhaube. Wer war der maskierte Mann? Und war das ein Düsenjäger oder bloß Donner?
Er fühlte sich gut. Besser als gut. Er legte die Hand auf Natalias Oberschenkel, wo der Rock über den schwarzseidenen Strümpfen hinaufgerutscht war. »Weißt du, was ich als erstes machen möchte, wenn wir dort sind?«
Sie hatte den Kopf gesenkt und las eine Zeitschrift. Ihr Haar hing dicht und schimmernd herab, und ihre Mimik war lebhaft. »Was du immer machen willst?« fragte sie mit einem koketten Seitenblick.
»Das ist erst heute abend dran.« Er ließ seine Hand ein wenig hinuntergleiten und drückte ihr Knie. »Nein, ich will zum Pool und dann ins Jakuzzi und in die Sauna, und dann will ich eine Massage, eine Doppelmassage für dich und mich. Na, was hältst du davon?«
Ihr Lächeln galt ihm und ihm allein – die perfekte, klare Form ihrer beweglichen Lippen, die deutliche Aufforderung, die pure Lust. »Sollen wir nicht vorher essen?«
»Und dann Cocktails«, sagte er und war ihr bereits voraus. »Ein paar leichte Cocktails, vielleicht sogar eine Piña Colada oder so im Massageraum, und dann ziehen wir uns natürlich zum Essen um, denn wir werden im besten Haus am Platz wohnen, und danach fahren wir rüber nach Stateline und spielen ein bißchen Blackjack.«
»Und Madison? Was ist mit Madison?«
Ein Blick in den Rückspiegel: Hinter ihnen war ein Pick-up, und fünf oder sechs Wagen hinter dem wechselte ein weißes Ungetüm von einem Lastwagen auf die linke Spur und setzte zum Überholen an. »Ach, was weiß ich – ist mir egal, wir decken sie mit Videos ein und engagieren einen von diesen Hotel-Babysittern. Wir haben was zu feiern, stimmt’s? Wir lassen es krachen. Wir machen Urlaub, Baby, und zwar so lange, wie du willst...«
»Ja«, sagte sie, und das Lächeln begann zu
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