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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Sie hatte früh laufen und sprechen gelernt, sich gern mit sich selbst beschäftigt und anscheinend von Anfang an gewußt, daß Erwachsene manchmal ein paar Minuten in Ruhe gelassen werden wollten. Madison dagegen nicht. Sie wollte und wollte und wollte. Genau wie ihre Mutter.
    Es dauerte ungefähr zehn Sekunden. »Mommy, ich muß mal«, verkündete sie mit wie immer klagender Stimme. Natürlich mußte sie mal. Das verstand er, schließlich war er ja kein Ungeheuer, aber er hatte gehofft, noch bis zum Hotel in Rancho Cordova zu kommen und dort zu Mittag zu essen, und wenn er einmal unterwegs war, hielt er nicht gern an. Und sobald sie anhielten, würde sie Hunger bekommen und perverserweise dieses eine Mal keine Éclairs essen wollen, weil die inzwischen warm und durchweicht waren, und so würden sie in irgendeiner Imbißbude am Straßenrand landen, und er konnte das Filet, das er sich seit einer halben Stunde vorstellte, vergessen. Er drehte die Musik ein wenig leiser und sah auf die Straße, während Natalia sich zu ihrer Tochter umdrehte.
    »Kannst du es noch ein bißchen aushalten, Schatz?«
    »Nein.«
    »Dana – ich meine Bridger – hat dir ein paar leckere Éclairs gekauft. Möchtest du eins?«
    »Nein, ich muß mal.«
    Er starrte geradeaus und konzentrierte sich auf Marley, doch er spürte, daß Natalia ihn ansah. »Wir müssen anhalten. Bei der nächsten Zweigung.«
    Er fluchte – leise, um die Stimmung nicht zu zerstören.
    »Ich weiß«, sagte sie, »aber was können wir tun? Soll sie in die Hose machen?«
    »Mom- my! «
    Er sagte nichts, hatte aber schon den Blinker gesetzt und hielt nach einer Abzweigung Ausschau, als Natalia hinzufügte: »Und sie muß etwas essen.« Und zu Madison: »Möchtest du Eier, Schatz? Dein Lieblingsessen – Rührei mit Wurst? Mit Ketchup? Mit so viel Ketchup, wie du willst?«
    Es kam keine Antwort, jedenfalls nicht gleich, aber das Gequengel bekam einen Unterton der Dringlichkeit, und er gab auf und reihte sich in die Kolonne von Wagen ein, die abbogen und vor Johnny Lee’s Family Restaurant (»Rund um die Uhr geöffnet«) parkten. Hey, Mr. Cop / Ain’t got no birth certificate on me now.
    Natalia lehnte sich in der Kurve an ihn und sagte mit dieser Zufriedenheit, die immer zu spüren war, wenn er tat, was sie wollte: »Nun mußt du für dein Filet mignon in Rancho Cordova verzichten.«
    »Auf. Ich muß auf mein Filet mignon verzichten.«
    »Stimmt, auf. Und dafür speisen wir in einem einfachen Restaurant. Wie sagst du? Keine große Sache, ja?«
    Er nahm die Kurve vielleicht ein bißchen zu schnell, und irgend etwas – ein Spielzeug – rutschte über das Armaturenbrett, prallte gegen das Fenster und fiel zwischen seine Füße. Er sah Natalia an. Gegen seinen Willen war er verärgert, aber er würde es sich nicht anmerken lassen. »Keine große Sache«, sagte er und brachte sogar ein Lächeln zustande.
    Es war schlimmer, als er erwartet hatte, eines dieser kitschigen Themen-Restaurants (Wagenräder an den Wänden, sepiabraune Fotografien von Goldgräbern und den Hintern ihrer Maultiere, Kellnerinnen mit Cowboyhüten und Kostümen, die aus einem Wildwestmuseum hätten stammen können). Natalia ging mit der Kleinen zur Toilette, während er der Frau am Empfangspult seinen Namen sagte, und dann mußten sie fünfzehn Minuten in einer Schlange aus alten Frauen mit kupferfarbenen Haaren und alten Clowns mit Bolo Ties und karierten Hemden warten, während Madison zappelte und am Arm ihrer Mutter zerrte, sich schließlich auf den Boden fallen ließ und, weil sie so hungrig war, nicht mehr aufstehen wollte, und das unaufhörliche Gequengel Wann, Mommy? Wann kriegen wir endlich einen Tisch? stieg aus dem Wald aus alten Beinen auf wie der schrille Schrei eines wilden Tiers, das sich hierhin verirrt und den sicheren Tod vor Augen hatte. Der Schwung, den er eben noch gespürt hatte, das Hochgefühl, das zu gleichen Teilen aus der Erleichterung bestanden hatte, Shelter Bay Village hinter sich zu lassen, bevor sich die Dinge katastrophal und irreparabel entwickelten, und der Vorfreude darauf, unterwegs zu sein und Gas zu geben, war spurlos verschwunden. Auf Reisen war das Frühstück immer das schwächste Glied in der kulinarischen Kette, eine Art Sinnesentzug, bei dem alle Möglichkeiten auf Variationen aus Eiern, Wurst, Pfannkuchen und ahornbraunem Zuckersirup reduziert waren. Es langweilte ihn. Es machte ihn wütend. Selbst in einem anständigen Hotel, wo man Quiche, Omelett mit

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