Talk Talk
verblassen, obwohl sie sich bemühte, es weiter strahlen zu lassen, »und das wird erst sein, wenn wir in dem neuen Heim sind, ja, in dem Haus im Wald, in einem Haus für uns ganz allein. Und wenn Madison in ihrer neuen Schule gemeldet ist. Dann ist der Urlaub vorbei.« Sie hielt inne, sah auf die Straße und richtete die nächsten Worte an die Windschutzscheibe. »Ist es ein nettes Haus?«
»Soll das ein Witz sein? Du hast doch die Fotos gesehen. Es hat Klasse, pure Klasse. Zwei Morgen Land. Ein Pool. Eine eingebaute Bar.«
»Netter als das Haus in Mill Valley?«
»Ich bitte dich! Es ist ein Herrenhaus.«
»Und diese Option zu kaufen...« Er beobachtete ihren Mund, als sie das sagte. Sie kam unfehlbar immer auf den Punkt. »Du willst sie nehmen, wenn mir das Haus gefällt – wir werden sie nehmen, ja? In meinem Namen?«
Sie stellte ihre Forderung. Er konnte es ihr nicht verdenken. Und warum auch nicht? Es machte nichts – er würde den Erlös des Hauses ohnehin anlegen müssen, er hatte schon ein paar Ideen, unter anderem diese Sache, die Sandman ihm vorgeschlagen hatte, und vielleicht hatte er Glück am Spieltisch. Nein, bestimmt hatte er Glück am Spieltisch. Er spürte die Kraft, die ihn hinauftrug, höher und höher. Er konnte gar nicht verlieren. Und dann war da noch der Wagen. Den würde er abstoßen und dafür einen neuen kaufen. Zwei neue: einen Z-4 für Natalia und irgendwas anderes für sich selbst. Allerdings keinen Mustang und auch keine Harley. »Ja«, sagte er. »Klar, natürlich. Und das Einkaufen wird dir gefallen. So was wie Manhattan gibt’s nur einmal auf der Welt.«
»Besser als Jaroslawl?«
»Na ja, ich weiß nicht. Ist das die Stadt mit zwanzig Millionen Einwohnern und Bergdorf’s und Macy’s und Tiffany’s und dem Diamond District?«
Sie grinste und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Der Grand Central Station? Dem Empire State Building? Mit dem Le Circe und Babbo und der Oyster Bar?«
»Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf, daß ihr Haar hin und her schwang. »Nein, ich glaube nicht.«
Er liebte dieses Geflachse, er liebte es, sie so zu sehen: geschmeidig, schön, ihre ganze schlaue, kompakte Energie in einem Augenblick konzentriert. Und zufrieden. Endlich einmal zufrieden. Er spürte, daß sein Schwanz sich regte. Er wollte mit ihr ins Bett.
»Erzähl mir von Bergdorf’s«, sagte sie.
Der Mercedes schnurrte, die Sonne beschien die Schnellstraße vor ihm, die in der Ferne verschwand. Er war sich der Stimme von Bob Marley bewußt, die leise, im Hintergrund, seine Wut beschrieb, während Natalias melodiöse, hüpfende Stimme sich von einem Thema zum anderen bewegte, von Manhattan zu den Abwasserproblemen in den Kellern alter Häuser und der Katze, die sie haben wollte: einer Bengalkatze. Ob er schon mal davon gehört habe? Erst seit vier Generationen gezähmt. Wunderschöne Tiere. Äußerst wunderschön. Und vielleicht würde sie gleich zwei kaufen, ein Männchen und ein Weibchen, und sie züchten, und dann könnte sie Kaylee eins der kleinen Kätzchen schicken und eins vielleicht ihrem Bruder in Toronto. Mit FedEx. Transportierte FedEx auch Tiere?
Er fühlte den Puls der Musik, nickte, streichelte Natalia und sah auf die Straße. Und im Handumdrehen waren sie an der Ausfahrt nach Tahoe.
Er merkte erst, daß Madison wach war, als er in den Rückspiegel sah und dort ihr schmales kleines Gesicht erblickte. Sie hatte sich aufgerichtet, saß auf der Kante des Rücksitzes und beugte sich so weit vor, wie es der Sicherheitsgurt zuließ – er hatte darauf bestanden, sie im Schlaf anzuschnallen. Auf einer Seite ihres Gesichts war eine gerötete Falte, und ihr Haar sah aus wie etwas, was gerade am Strand angespült worden war. Im Augenblick war sie dabei, sich zu orientieren, und hatte den benommenen, umflorten Gesichtsausdruck, den alle Kinder haben, wenn sie aus den Höhlen des Schlafs klettern, doch er wußte, es war nur eine Frage der Zeit, bis das Gequengel anfangen würde. Er war kein Kinderpsychologe und konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie es für sie bei dem Blödmann gewesen sein mochte, mit dem Natalia zuletzt zusammengewesen war, aber die Kleine erschien ihm übermäßig bedürftig: Immer klagte und jammerte sie. Ganz anders als Sukie. Sukie war robust. Schon als Baby war sie selbstgenügsam gewesen, hatte die Nächte durchgeschlafen, hatte gegessen, wenn sie gefüttert wurde, und stundenlang das Handy angelallt, das über ihrer Wiege hing.
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