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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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Clans in dieser Gegend mit den italienischen Freischärlern verbündet waren.
    Für ihn und die Italienerin bedeutete dies, sich von allen Menschen fernzuhalten, bis sie einen größeren Ort erreicht hatten. Torsten wusste nicht einmal, ob die Provinzhauptstadt Kukës sicher genug war, doch dieses Risiko musste er eingehen. Er war nicht so gut in Form, dass er weite Wege zurücklegen konnte, und Graziella baute immer mehr ab. Das Brot und die Wurst, die sie aus der Höhlenfestung mitgenommen hatten, waren längst verzehrt, und er spürte die Folgen der Gehirnerschütterung, die er sich bei dem Anschlag auf den Dingo zugezogen hatte, wieder heftiger.
    »Ich kann nicht mehr!« Die Erschöpfung, die in Graziellas Stimme mitschwang, ließ ihn stehen bleiben. Er beschattete die Augen mit der Hand und blickte über das Land, in dem der beginnende Tag sich mit einem orangeroten Morgenrot ankündigte.
    »Wir müssen uns verstecken, bevor uns jemand erspäht«, sagte er und hielt nach einem geeigneten Platz Ausschau. Da
hörte er auf einmal das Meckern von Ziegen und eine Stimme, die ruhig auf die Tiere einsprach. Er packte Graziella und zerrte sie in eine schmale Schlucht, aus der ein dünnes Rinnsal floss. Wasser war wichtig, wenn sie diesen Tag überstehen wollten, denn die Sonne würde die Felsen so aufheizen, dass sie Backofentemperatur annahmen. Wenn sie nicht genug trinken konnten, würden sie Kukës nie erreichen.
    Ein schmaler Spalt in der Felswand versprach Schutz. Torsten leuchtete ihn kurz mit der Taschenlampe aus. Da er weder Schlangen noch anderes unangenehmes Getier bemerkte, schob er Graziella hinein und folgte ihr.
    An der Stelle, an der sie in die Schlucht eingebogen waren, kam nun ein gutes Dutzend Ziegen und Schafe in Sicht, die von einem zotteligen Hund in ihre Richtung getrieben wurden. Eine Frau in einem langen, schwarzen Kleid und einem schwarzen Kopftuch folgte den Tieren. In ihren Händen trug sie jedoch keinen Hirtenstab, sondern einen alten Karabiner mit hölzernem Schaft. Während sie die Tiere an Torstens und Graziellas Versteck vorbei trieb, blickte sie sich misstrauisch um.
    Torstens Daumen wanderte bereits zum Sicherungsknopf seiner Maschinenpistole, um sie schussfertig zu machen. Seine Nervosität stieg, als der Hütehund plötzlich stehen blieb, kurz schnupperte und dann auf sie zukam.
    Bevor das Tier jedoch den Felsspalt erreichte, hielt ein scharfer Pfiff seiner Herrin ihn zurück. Die Frau sagte etwas, das Torsten nicht verstand. Daraufhin trieb der Hund die Ziegen und Schafe an, und bald schon verschwand die Gruppe aus ihrem Gesichtsfeld.
    »Puh, das war knapp!«, stöhnte Torsten auf und setzte die MP ab.
    Graziella blickte ihn erschrocken an. »Du hättest die Frau doch nicht erschossen?«

    Torsten zuckte mit den Achseln. »In diesem Land ist jeder Mensch erst einmal ein Feind, es sei denn, er kann mich schnell genug vom Gegenteil überzeugen. Die Hirtin zum Beispiel hätte uns an andere verraten können.«
    »Die wären durch deine Schüsse auch auf uns aufmerksam geworden«, widersprach Graziella vehement.
    »Darum habe ich auch nicht geschossen. Und jetzt komm! Wir werden uns ein anderes Versteck suchen. Ich traue dieser Albanerin nicht.«

ACHTZEHN
    D ie Suche nach den Entflohenen stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Die Hundeführer ließen noch in der Höhlenfestung ihre Hunde von der Leine, damit die Tiere die Spur leichter aufnehmen konnten. Diese Gedankenlosigkeit kostete Ghiodolfios Truppe ihre besten Spürhunde, denn die Tiere rasten voller Eifer in den verminten Gang und lösten dort die Sprengfallen aus.
    Danach schwärmte die Truppe unter Mazzettis Kommando in einer Stärke von über einhundert Mann aus und drehte zwischen den Ortschaften Orgjost und Ploshtan buchstäblich jeden Stein um. Dabei halfen ihnen die albanischen Verbündeten. Sie gingen dabei über die Berge, drangen bis in den Kosovo vor und lieferten sich Feuergefechte mit den dort lebenden Clans. Dennoch fanden sie nicht die geringste Spur von Graziella und Renk.
    Ghiodolfio befahl Hoikens, bei ihm zu bleiben und sich Gedanken zu machen, wohin der MAD-Agent sich wenden würde. »Immerhin kennen Sie ihn am besten von uns allen«, setzte er bissig hinzu.

    »Ich hätte das Aas erschießen sollen!« Hoikens biss die Zähne zusammen und stierte auf die Karte. Die Gegend um Tallinn kannte er inzwischen wie seine Westentasche, doch hier musste er sich in dem Gewirr von Schluchten, Wasserläufen und

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