Tallinn-Verschwörung
will.«
Fiumetti zuckte zusammen. »Sie meinen, er könnte unserer Sache untreu werden?«
»Immerhin hat er Sie früher einen lombardischen Schreihals genannt, den niemand ernst nehmen dürfe.« Don Batista hielt es für klug, Fiumetti darauf hinzuweisen, dass Ghiodolfio damals zu dessen ärgsten Rivalen im Kampf um die Spitze der Partei gezählt hatte. Dann lächelte er und klopfte dem Politiker auf die Schulter.
»Auf jeden Fall sollten wir Ghiodolfios Schritte genau überwachen und eine von ihm unabhängige bewaffnete Macht aufbauen. Renzos Männer könnten der Anfang sein.«
»Ich glaube, Sie haben recht, Hochwürden. Mir gefällt es nämlich auch nicht, auf diesen alten Kommisskopf angewiesen zu sein.«
»Dann sind wir uns einig.« Don Batista sagte sich, dass er mit der alten römischen Devise »divide et impera!« immer noch am besten fuhr. Es galt, seine Verbündeten so lange gegeneinander auszuspielen, bis sie einander bis aufs Blut misstrauten und in ihm und den Söhnen des Hammers die einzige Kraft sahen, die ihnen zum Sieg verhelfen konnte. Bis sie begriffen, wie das Spiel wirklich lief, würden er und seine Freunde bereits an den Hebeln der Macht sitzen und entscheiden, was in Italien und weit darüber hinaus geschah.
FÜNFZEHN
G raziella gingen langsam die Schimpfwörter aus, die sie Torsten an den Kopf werfen konnte. Seit sie aus dem Freischärlercamp entkommen waren, quälten sie sich durch Gestrüpp oder stapften durch kalte, reißende Bäche. Obwohl er selbst so aussah, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen, gönnte er ihr nicht die kleinste Pause. Schließlich wurde es ihr zu bunt und sie blieb stehen.
»Ich gehe keinen Schritt weiter, bevor Sie mir nicht sagen, wohin Sie eigentlich gehen.« Sie waren in der Zelle bereits beim Du gewesen, doch in ihrer Wut wurde Graziella wieder förmlich.
Torsten drehte sich zu ihr um und wies auf den Berggipfel, der dicht vor ihnen aufragte. »Wenn ich die Karte dieser Gegend halbwegs richtig im Kopf habe, müsste das der Kolesjanit sein. Es gibt sowohl südlich wie auch nördlich davon eine Straße, auf der wir weiter nach Albanien hinein kommen.«
»Weiter nach Albanien hinein? Ich will nicht nach Albanien! Ich dachte, wir schlagen uns zu deinen Landsleuten im Kosovo durch.« Graziellas Stimme überschlug sich beinahe.
»Das hat schon einmal nicht geklappt. Wir müssten jene Berge dort drüben überqueren, und deren Bewohner sind, wenn ich es richtig verstanden habe, Freunde deiner Landsleute in der Bergfestung. Selbst wenn wir an ihnen vorbeikommen, wären wir nicht sicher. Ghiodolfios Leute haben mit ihren Überfällen auf die Bundeswehrfahrzeuge gezeigt, wozu sie fähig sind.«
Gegen ihren Willen musste Graziella Torsten zustimmen. Die Berge im Osten mit dem über zweitausendeinhundert Meter hohen Kallabakut wirkten rauer und abweisender als das Land, das sich links vor ihnen erstreckte.
»Wahrscheinlich hast du recht. Ghiodolfios Banditen werden sicher annehmen, dass wir uns zu deinen Leuten im Kosovo durchschlagen wollen, und uns dort suchen.«
»Bingo! Genau das erwarte ich. Sollte ich mich getäuscht haben, wäre es Pech.«
»Dann schießen wir uns den Weg frei«, rief Graziella kämpferisch.
Mit je zweiunddreißig Schuss im Magazin?, wollte Torsten schon fragen, ließ es dann aber sein, sondern deutete auf einen Bach. »Wir sollten wegen der Hunde wieder im Wasser gehen.« Torsten wusste, dass gut ausgebildete Spürhunde auf diesen Trick nicht hereinfielen, aber er hoffte, dass die Tiere durch den oftmaligen Wechsel zwischen Gestrüpp und Wasser die Lust an der Verfolgung verlieren würden. Er stieg die vielleicht dreißig Schritte zu dem eng eingeschnittenen Bachbett hinab und streckte Graziella die Hand entgegen, um ihr zu helfen.
Graziella beschloss, sie zu übersehen, und wollte allein ins Wasser steigen. Dabei rutschte sie jedoch aus und plumpste ins kühle Nass.
Torsten zuckte nur mit den Schultern. »Wenn es dir Spaß macht, jetzt zu baden, dann nur zu!«
» Stupido tedesco !«, fauchte sie ihn an, während sie sich wieder auf die Beine kämpfte. »Warum musste ich ausgerechnet auf dich treffen? Ein echter Kavalier hätte nicht gewartet, bis dieser unsägliche Kerl sein Ding in mich hineingesteckt hat, sondern ihn vorher erledigt.«
Torsten stöhnte auf. »Glaubst du etwa, ich hätte extra so lange gewartet? Ich kam einfach nicht schneller auf die Beine. Ich hätte es dir wirklich gerne erspart. Beim nächsten Mal
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