Tallinn-Verschwörung
was er von Lodovico erfahren hatte, und hielt auch nicht mit seinem Verdacht hinter dem Berg, der General könne versuchen, in Italien ein Militärregime einzurichten.
»Aber das ist doch unmöglich!«, rief Winter aus.
»Ghiodolfio geht es anscheinend nur um die Macht in Italien. Unser großer Plan, Europa zu führen und von den Ungläubigen zu befreien, interessiert ihn anscheinend kaum noch.«
Don Batistas Stimme klirrte vor Wut. Er hatte zusammen mit Kranz’ Sekretär Täuberich aus München und einigen anderen Amtskollegen ein Bündnis mit den rechtsnationalen Gruppen geschlossen und Leute wie Fiumetti und Feiling
zu seinen Handlangern gemacht. Das wollte er nicht von einem ehrgeizigen Offizier zerstören lassen. »Sobald es der Sache dienlich ist, sollte Ghiodolfio ins Himmelreich eingehen!«
»Aber bitte früh genug, bevor sich ein anderer General zu einem neuen Caesar oder Octavian berufen fühlt«, antwortete Winter.
Sein Sekretär konnte bereits wieder lächeln. »Ghiodolfio mag uns für ein paar verschrobene Kirchenleute halten, die mit den jetzigen Verhältnissen unzufrieden sind. Aber wir werden ihm beweisen, dass die wahre Macht in unseren Händen liegt. Es ist nur bedauerlich, dass der General den armen Gianni erschießen ließ. Der wäre der Richtige gewesen, um diesen Ehrgeizling für immer zu bremsen.«
Winter sah ihn verwirrt an. »Was sagen Sie? Ghiodolfio hat Gianni umgebracht?«
»So hat es Lodovico berichtet. Wie es aussieht, hat Gianni sich im Drogenrausch an der Gefangenen vergriffen und sie dabei entkommen lassen. Genaueres erfahre ich jedoch erst, wenn Lodovico wieder zurück ist.«
»Wenn Graziella Monteleone tatsächlich entkommen ist und ihre Aussage machen kann, ist das eine Katastrophe.« Winter sah aus, als sähe er sich vor einem sehr tiefen Abgrund stehen.
Sein Sekretär dachte angestrengt nach und nickte dabei. »Ich werde gleich mehrere Gespräche führen, um das Schlimmste zu verhindern. Es gibt allerdings noch etwas von Ghiodolfio. Er hat Fiumettis Garde angefordert. Sie soll innerhalb von drei Tagen nach Albanien kommen.«
»Will er mit den KFOR-Truppen Krieg führen?«, fragte Winter ätzend.
Don Batista hob die Hände, als traue er dem General alles zu. »Nein, sie sollen für einen Einsatz außerhalb Italiens
und Albaniens geschult werden. Ich nehme an, es geht um die EU-Ratsversammlung in Tallinn.«
»Die Angelegenheit sollte doch dieser Deutsche – wie heißt er gleich wieder? Ach ja! – dieser Hoikens übernehmen. Warum will Ghiodolfio gleich eine ganze Armee dorthin schicken?«
Auf Winters Frage antwortete Don Batista mit einem Achselzucken. »Das müssen Sie den General schon selbst fragen, Eure Eminenz. Mir hat er es nämlich nicht gesagt.«
Eine dunkle Röte überzog das Gesicht des Kardinals. Diesen verächtlichen Tonfall wollte er sich von seinem Sekretär nicht bieten lassen. Bevor er Don Batista jedoch zurechtweisen konnte, dachte er an einige Todesfälle, an denen sein Untergebener nicht unbeteiligt gewesen war, und mit einem Mal lief es ihm kalt den Rücken hinab. Er selbst hatte intrigiert und gelogen, um seine Karriere voranzubringen, aber noch nie mit eigener Hand gemordet. Wie es aussah, empfand sein Sekretär ebenso viel Vergnügen daran, einen Menschen umzubringen, wie Gianni beim Geschlechtsverkehr.
Den Kardinal beschlich allmählich das Gefühl, nicht der wirkliche Anführer der Söhne des Hammers zu sein, sondern nur eine Marionette in den Händen seines schmalen und so harmlos wirkenden Sekretärs. Dann aber dachte er an die Tiara des Papstes, die er mehr als alles andere erstrebte, und sagte sich, dass Don Batista nur ein Mittel zum Zweck war, dieses Ziel zu erreichen. Danach würde er sich von ihm trennen müssen.
»Es wird Fiumetti nicht gefallen, ausgerechnet jetzt auf Renzo und seine Männer verzichten zu müssen«, sagte Winter, um sich von seinen eigenen Sorgen abzulenken.
Sein Sekretär wiegte den Kopf. »Renzos Leute sind für Fiumetti, aber auch für uns der einzige Schutz vor Ghiodolfios Ehrgeiz. Er wird außer sich sein, sie jetzt zu verlieren.«
»Dann sollte er sie wohl besser nicht losschicken«, antwortete Winter zweifelnd.
»Das halte ich für keine gute Idee. Zum einen dürfen wir die Aktion Tallinn nicht gefährden, und zum anderen wird der Verlust Fiumetti noch stärker in unsere Arme treiben. Ich bin dafür, dass er im Geheimen eine neue Parteigarde aufstellt, von der Ghiodolfio nichts wissen darf. Außerdem
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