Tallinn-Verschwörung
sollten Sie mit einigen befreundeten Offizieren der regulären Armee sprechen, um sie auf unsere Seite zu ziehen.«
Winter nickte anerkennend. »Das ist eine sehr gute Idee. Aber können Sie das nicht selbst tun?«
»Später vielleicht! Jetzt bin ich anderweitig beschäftigt. In Lodovicos Botschaft war von einem deutschen Soldaten die Rede, der zusammen mit Graziella Monteleone geflohen ist. Ich nehme daher an, dass das Mädchen nicht nach Italien, sondern nach Deutschland gehen wird. Wenn Sie erlauben, nehme ich den nächsten Flieger nach München und werde mit meinem Amtskollegen Täuberich und Monsignore Kranz besprechen, was wir in diesem Fall unternehmen können.«
»Tun Sie das, Don Batista! Ich hoffe nur, dass es uns gelingt, die Sache unter Kontrolle zu halten.« Winter wirkte immer noch nervös, doch sein Sekretär lächelte ihm beruhigend zu.
»Keine Sorge, Eure Eminenz. Bis jetzt ist uns immer etwas eingefallen. Und nun Gott befohlen!«
Mit diesen Worten neigte Don Batista kurz das Haupt und verließ das Zimmer.
DREIUNDZWANZIG
D iesmal hielt die Albanerin keinen Karabiner in der Hand, sondern einen irdenen Topf, der seinem Geruch nach mit etwas Essbarem gefüllt war. Torsten hing bereits der Magen in der Kniekehle, und er hatte schon überlegt, eine der Ziegen zu melken, um den größten Hunger zu stillen.
Er bedankte sich bei der Frau, die ihm den Topf reichte. Sie beachtete ihn jedoch nicht weiter, sondern öffnete die Stalltür und trieb die Tiere ins Freie. Der Hund kam an ihre Seite und achtete darauf, dass kein Schaf und keine Ziege den falschen Weg einschlugen. Torsten sah ihnen nach, bis sie hinter einer Felswand verschwanden, und wandte sich dann dem Essen zu. Der Eintopf, der aus Getreide, Erbsen und ein wenig Fleisch bestand, war so fest, dass der einfache Aluminiumlöffel darin stecken blieb. Als er zu essen begann, schmeckte er frische Kräuter auf der Zunge. Es war eine derbe, aber schmackhafte Kost, und er ertappte sich dabei, dass er den Topf zuletzt noch mit dem Finger auswischte.
Nach dieser Mahlzeit war er zwar nicht satt, aber es ging ihm um einiges besser als in den letzten Tagen. Er überlegte, ob er nach Graziella schauen sollte. Doch als er an die Haustür kam, fand er diese verschlossen vor. Das primitive Schloss wäre zwar kein Hindernis für ihn gewesen, doch er wollte das Vertrauen der Hirtin nicht enttäuschen und zog sich wieder in den Stall zurück. Das Heubett lockte, und ehe er sich versah, hatte er sich wieder in die Decke gehüllt und schlief beinahe sofort ein.
Erst als die Schafe und Ziegen in den Stall drängten, wurde Torsten wieder wach. Der Hund sprang draußen herum und bellte, während die Hirtin in sich gekehrt wirkte. Sie kam zu ihm und nahm den Topf, ohne etwas zu sagen, und
wollte wieder gehen. Unterwegs überlegte sie es sich aber anders und winkte ihm, ihr zu folgen. Dabei sagte sie einige italienische Worte, allerdings mit einem solch starken Akzent, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Trotzdem war er froh, dass jetzt eine Verständigung möglich war, und antwortete ihr in der gleichen Sprache.
Als er das Haus betrat, schaute er als Erstes nach Graziella. Sie lag auf dem Bett und schien stark geschwitzt zu haben, war aber ansprechbar. Sie begrüßte ihn mit einem gequälten Lächeln und wies auf den leeren Krug, der neben dem Bett stand.
»Kannst du mir etwas zu trinken holen?«
Torsten wollte das Gefäß nehmen und damit nach draußen zum Brunnen gehen. Die Albanerin hielt ihn jedoch auf und nahm ihm den Krug ab. Dabei sagte sie etwas, das sich wie eine Warnung anhörte. Als sie das Haus verließ, nahm sie ihren Karabiner mit.
Während sie den Krug am Brunnen füllte, blickte sie sich wachsam um und behielt dabei die Waffe in der Hand. Torsten spürte ihre Anspannung und wusste, dass Gefahr drohte. Jetzt hätte er seine Maschinenpistolen brauchen können, doch die Frau hatte die Waffen zu gut versteckt.
Auf dem Rückweg sicherte sie den Weg mit ihrem Karabiner, als fürchte sie einen Angriff, und schloss die Tür sofort hinter sich. Sie reichte Torsten den Krug und forderte ihn auf, diesen Graziella zu geben. Sie legte nun die Fensterläden vor und entzündete eine Petroleumlampe. Ohne sich durch die Anwesenheit ihrer Gäste abhalten zu lassen, machte sie sich an ihre Hausarbeit und sang dabei. Es war ein trauriges Lied, auch wenn man die Worte nicht verstand.
Torsten wusste nicht, wie lange er ihr zuhörte und dabei seine Gedanken
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