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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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Augenblick einen Schuss zu hören. Anscheinend schliefen Flamur und seine Leute, oder die Heilige Jungfrau war mit ihr und verbarg sie mit ihrem Himmelsmantel vor den Augen der Belagerer. So musste es sein, denn der Mond war hinter einer dicken Wolkenschicht verborgen, so dass sie nicht einmal die Hand vor Augen sah. Sie war jedoch oft genug von der Tür zum Brunnen gegangen, um den Weg auch blind zu finden. Zwischendurch hielt sie immer wieder an und lauschte in die Nacht hinaus. Ein Stück entfernt hörte sie zwei Männer miteinander tuscheln. Anscheinend trauten ihr die Kerle nicht zu, das Haus zu verlassen, sonst hätten sie besser achtgegeben. Lula schätzte, dass sie ein Stück hinter ihrem Garten saßen. Dort gab es eine Senke, die sie vor dem kalten Nachtwind schützte.
    Erleichtert kroch sie weiter in Richtung Brunnen, und als sie schon fürchtete, ihn verfehlt zu haben, berührte sie seinen Rand. Das Schwierigste lag jedoch noch vor ihr. Sie musste all die Flaschen und Gefäße füllen, ohne dass die Belagerer es hörten.
    Doch auch hier war ihr das Glück hold. In der Ferne war
auf einmal ein Auto zu hören, das von Kukës herankam und weiter Richtung Süden fuhr. Lula nützte die Gelegenheit und hielt ihre Flaschen ins Wasser.
    Flamurs Wachen blickten den Lichtkegeln des Autos nach und rätselten, um wen es sich handeln mochte. Zunächst hofften sie noch, es wäre ein Fahrzeug ihrer italienischen Verbündeten, doch der Wagen fuhr an der Abzweigung vorbei, die zum Dorf führte, und sein Scheinwerferlicht verlor sich in der Dunkelheit.
    Als die beiden Burschen sich wieder der Hütte zuwandten, hatte Lula ihre Flaschen gefüllt. Der Rückweg zur Tür war beschwerlicher, da sie durch die Last der Gefäße behindert wurde. Sie erreichte aufatmend die Tür und klopfte leise ihr Signal. In dem Moment durchbrach das Mondlicht die Wolkendecke. Einer der Männer entdeckte sie als Schatten vor der Tür, brüllte etwas und riss sein Gewehr hoch.
    Bevor der Schuss knallte, sprang die Tür auf, Lula wurde an der Schulter gepackt und in die Hütte gezogen. Nur einen Sekundenbruchteil später klatschte die Kugel gegen den Türpfosten.
    Torsten Renk schlug die Tür wieder zu, verriegelte sie und leuchtete die Hirtin mit der Taschenlampe an. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, weil sie unversehrt zurückgekommen war. In der letzten Viertelstunde hatte er bereits das Schlimmste für ihre Gastgeberin befürchtet. Jetzt atmete er tief durch und klopfte der mageren Frau auf die Schulter.
    »Das war ein ganz tolles Stück, das du geleistet hast. Mit dem Wasser kommen wir ein paar Tage durch.« Ein wenig ärgerte er sich auch, weil eine Frau, noch dazu eine Unbeteiligte, sich in Gefahr begeben hatte, und nicht er, der es doch gewohnt war, dass ihm die Kugeln um die Ohren flogen.
    Lula begriff, dass der Deutsche sie lobte, und dankte ihm
mit einem schüchternen Lächeln. Dann eilte sie zu Graziella, die ihr bereits durstig entgegensah. Die junge Italienerin hatte sich in den letzten vierundzwanzig Stunden gut erholt. Ihr Fieber war gesunken, und sie konnte sogar ein Stück hartes Brot essen, das Lula ihr mit Wasser aufweichte.
    Auch Torsten und Lula nahmen etwas zu sich. Die Albanerin erklärte ihm dabei, dass sie in der nächsten Nacht versuchen wollte, ihn und Graziella auf geheimen Wegen fortzuschaffen. Als er versuchte, Einwände vorzubringen, winkte sie ab. Sie kannte die Gegend hier besser als ihr Neffe und wusste genau, wie sie gehen mussten. Sie brauchte nur eine halbe Stunde, in der die Wolken den Mond verdeckten, dann konnte sie Flamur und seinen Freunden ein Schnippchen schlagen.

SECHSUNDZWANZIG
    D en Tag über schliefen sie abwechselnd, um Kräfte zu sammeln. Als die Dämmerung anbrach, überprüfte Lula noch einmal Graziellas Zustand. Der Italienerin ging es deutlich besser, und die Hirtin nickte Torsten auffordernd zu.
    »Sobald es dunkel ist, brechen wir auf. Die da draußen werden nicht damit rechnen, sondern denken, dass ich erst tief in der Nacht zum Brunnen schleichen werde!«
    Nach diesen Worten ging Lula zum Herd und räumte die Asche weg, die sie bisher nur ein wenig auf die Seite geschoben hatte, und brachte ein in Sackleinen gehülltes Bündel zum Vorschein, welches seine beiden Maschinenpistolen enthielt. Torsten blieb beinahe das Herz stehen. Der Gedanke, dass Lula die Waffen samt Munition dicht neben dem brennenden Feuer verborgen hatte und die Geschosse jederzeit
in der Hitze hätten explodieren können,

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