Tallinn-Verschwörung
der höchstens für sechs Leute ausgerichtet war, legten sie die Strecke zurück und wurden von dem fröhlichen Taxifahrer vor der deutschen Botschaft ausgeladen. Eine Bäuerin, die Graziella unterwegs ins Herz geschlossen hatte, drückte dieser noch ein paar hart gekochte Eier in die Hand, ein anderer Mitfahrer nötigte Torsten einen Schluck aus einer Schnapsflasche mit einem unleserlichen Etikett auf, dann waren sie wieder sich selbst überlassen.
Der Zugang zur deutschen Botschaft wurde von mehreren albanischen Polizisten bewacht. Torsten trat frech auf sie zu und deutete einen militärischen Gruß an.
»Leutnant Renk, Kosovotruppe. Ich muss unserem Botschafter wichtige Informationen überbringen.«
Die Albaner starrten den Mann in dem mitgenommenen Kampfanzug, der gleich zwei Maschinenpistolen umhängen hatte, verwirrt an. Einer von ihnen verstand genug Deutsch, um Torstens Erklärung zu begreifen. Eigentlich hätte er von diesem jetzt den Ausweis verlangen müssen, schob das aber an die deutschen Sicherheitskräfte weiter. Die würden schon wissen, was zu tun war. Daher gab er den Weg frei und ließ Graziella und Torsten passieren.
Im Foyer der Botschaft saßen zwei gelangweilte Bundespolizisten und unterhielten sich gerade über die Ergebnisse des letzten Spieltags der Bundesliga, als Torsten mit Graziella eintrat. Einer erhob sich halb, setzte sich aber wieder,
als er die Uniform mit der aufgenähten Bundesflagge und Torstens Namenszug erkannte.
»Sie haben sich wohl verlaufen, was?«, fragte er kopfschüttelnd.
»Sehe ich so aus?«, antwortete Torsten grinsend und trat auf den Pförtner zu, der in seiner Glaskabine hockte. Dem war es angesichts der beiden Maschinenpistolen, die Torsten über der Schulter hängen hatte, nicht besonders wohl, und seine Hand wanderte zum Alarmknopf, als Torsten mit zwei Fingern kurz die Stirn berührte.
»Guten Tag! Torsten Renk ist mein Name, Leutnant der Bundeswehr. Ich muss dringend mit dem deutschen Militärattaché sprechen.«
Seine Haltung vermittelte dem Pförtner die Einsicht, dass er keinen Terroristen vor sich sah, sondern wirklich nur jemanden, der mit einer kompetenten Person sprechen wollte.
»In unserer Botschaft gibt es derzeit keinen Militärattaché. Aber wenn Sie wünschen, melde ich Sie bei einer der Botschaftssekretärinnen an.«
»Tun Sie das!« Obwohl Torsten sonst über die überbordende Bürokratie spottete, ärgerte er sich nun, dass hier ein militärischer Fachmann eingespart worden war. Er wechselte einen Blick mit Graziella, die dem auf Deutsch geführten Gespräch mit etwas Mühe hatte folgen können, und wartete, bis der Pförtner jemand ans Telefon bekam.
»Frau Meindl, hier ist ein Herr von der Bundeswehr, der Sie sprechen will.«
»Schicken Sie ihn herauf!« Die Angerufene sprach laut genug, dass Torsten es noch mithören konnte.
Der Pförtner lächelte erleichtert und wies auf die Treppe, die nach oben führte. »Zimmer zwei im dritten Stock. Frau Meindls Name steht an der Tür.«
»Dann werde ich ihr Büro schon finden.« Torsten nickte dem Mann kurz zu und stieg, gefolgt von Graziella, nach oben. Die gesuchte Tür stand bereits offen, doch als er hineinschaute, fand er das Zimmer leer. Es dauerte allerdings nur wenige Sekunden, dann kam eine kompakt wirkende Frau aus der auf demselben Flur liegenden Toilette und musterte ihn über den Rand ihrer Lesebrille hinweg.
Anna Meindl hatte in ihrem Leben schon viel gesehen, doch ein Mann in Bundeswehruniform, der zwei Maschinenpistolen über der Schulter hängen hatte und mit seinem seit Tagen unrasierten Gesicht eher wie ein Buschräuber aussah, war ihr noch nicht untergekommen.
»Sie wollen Bundeswehrsoldat sein?«, fragte sie misstrauisch.
Torsten salutierte vorschriftsgemäß. »Leutnant Torsten Renk, Militärischer Abschirmdienst, zurzeit abkommandiert in den Kosovo.«
»Da haben Sie sich aber arg verlaufen«, begann die Frau, dann starrte sie ihn verdattert an. »Wie, sagten Sie, ist Ihr Name? Torsten Renk?«
»Ganz genau!«
»Aber Sie sollen vor über einer Woche bei Prizren verschollen sein! Ihre vier Kameraden wurden nur noch tot geborgen. «
»Raketentreffer! Ich hatte Glück, weil ich gerade aussteigen wollte.« Torstens Stimme schwankte, denn an seine Begleiter hatte er in den letzten Tagen nicht mehr gedacht. Jetzt kehrte die Erinnerung an die Männer um Leutnant Steiff zurück. Das war eine Rechnung, die Hoikens und Ghiodolfio noch zu begleichen hatten.
»Können
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