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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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sich ein Stück Brot in den Mund.
    »Geht es noch?«, fragte er Graziella, als er den letzten Bissen geschluckt hatte.
    Die junge Italienerin nickte. »Besser, als ich erwartet habe. Du musst mich nur ein wenig stützen, wenn meine Beine nachgeben wollen.«
    »Ich kann dich auch tragen!« Es klang patzig, doch Torstens Lächeln nahm seinen Worten die Schärfe. Er bewunderte beide Frauen. Graziella schien ihr Trauma wegen der Geschehnisse in der Festung überwunden zu haben und bewies eine innere Kraft, die nur wenige Menschen besaßen. Noch mehr aber imponierte ihm die Albanerin. Sie hatte ihnen Hilfe und Schutz geboten und sich dabei sogar gegen die eigenen Leute gewandt. Er hatte von den alten Ehrbegriffen der Albaner gehört, aber nicht geglaubt, dass diese
die Zeit Enver Hoxhas überstanden hätten. Doch Lula hatte selbst den Tod ihrer Tiere in Kauf genommen, anstatt sie zu verraten.
    »Wir müssen weiter!« Lulas Stimme riss Torsten aus seinen Gedanken. Er schulterte die Maschinenpistole und bot Graziella seinen Arm. Diesmal war die junge Italienerin froh um seine Unterstützung, denn Lula wählte Wege, die mehr für klettergewandte Ziegen geeignet waren als für Menschen.
    Sie überwanden an dem Tag das Massiv des Mali i Shentit und drangen am Abend in die Seitentäler des Mali i Munellës ein, bis sie schließlich hoch über der Ortschaft Xhuxhë ihr Nachtlager aufschlugen. Sie besaßen nur eine Decke und mussten sich eng aneinanderdrängen, um warm zu bleiben. Doch mit den hellen Sternen über sich und dem Gesang des Nachtwinds in den Zweigen eines kleinen Waldes wurde es eine Nacht, die ihnen unvergesslich bleiben würde.
    Der nächste Tag brachte noch einmal die Anstrengung eines letzten, schweren Anstiegs, dann ging es bergab in Richtung Fushë-Arrëzi. Lula mied auch diese Ortschaft und wandte sich der Hauptstraße zu, die von Kukës nach Shkodër führte. Dort wartete sie, bis ein alter Lastwagen chinesischer Produktion den Hang hoch keuchte, und stellte sich dem Fahrer winkend in den Weg.
    Für Augenblicke sah es so aus, als würde der Mann sie einfach überfahren, doch da Lula ihren Karabiner auf dem Rücken behielt und ihn nicht bedrohte, trat er auf die Bremse.
    »Was willst du?«, rief er der Frau zu.
    »Nimm die beiden hier mit nach Shkodër oder einen anderen Ort, von dem aus sie nach Tiranë kommen.«
    Der Lastwagenfahrer verzog das Gesicht. »Warum nehmen sie dann nicht den Bus? Der kostet nur ein paar Lek.«
    Torsten hörte aus den Worten des Mannes den Begriff der
hiesigen Währung heraus und zog eine der beiden erbeuteten Geldbörsen aus der Tasche. Als er dem Fahrer ein paar Scheine reichte, glitzerten dessen Augen hell auf. Auch Lula schien erleichtert, weil sich das Problem auf diese Weise lösen ließ.
    »Also dann, steigt ein!«, forderte der Fahrer sie mit der entsprechenden Geste auf.
    Graziella wollte sofort zu ihm hochklettern, doch Lula hielt sie auf. Zuerst du, gab sie Torsten durch Blick und Gesten zu verstehen. Sie hatte Angst, der Fahrer könnte Gas geben und mit Graziella verschwinden, und sie wollte die junge Frau wahrlich nicht gerettet haben, damit diese in ein Bordell in Albanien, Montenegro oder Griechenland verschleppt würde.
    Mit einem dankbaren Lächeln trat Torsten auf die Albanerin zu und wollte ihr ebenfalls ein paar Geldscheine in die Hand drücken.
    Mit einer stolzen Gebärde wies sie das Geld zurück. »Du wirst es selbst brauchen, wenn du in deine Heimat kommen willst«, sagte sie. Dann sagte sie eine Grußformel in ihrer Sprache, drehte sich um und ging in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war.
    Torsten sah der kleiner werdenden Gestalt nach und fühlte sich beschämt. Einen so großherzigen Menschen wie sie hatte er noch nie erlebt.
    »Viel Glück, Lula!«, rief er ihr nach, dann trat er auf den Lastwagen zu, stieg ein und half Graziella, neben ihm Platz zu nehmen. Während er die Beifahrertür zuschlug, grinste ihn der Fahrer an und schaltete den CD-Player an, den er lose auf dem Armaturenbrett stehen hatte. Fremdartige, traurig klingende Musik drang aus dem Lautsprecher, und als der Fahrer seinen Lastwagen wieder in Gang setzte, ruckte sein Kopf im Rhythmus der Musik hin und her.

SIEBENUNDZWANZIG
    N ach den Aufregungen der letzten Tage stellte die Reise nach Tiranë ein Kinderspiel dar. Der Lastwagenfahrer nahm sie bis nach Shkodër mit und half ihnen dort, ein Sammeltaxi zu finden, das in die Hauptstadt fuhr. Zu zehnt eingepfercht in einem Wagen,

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