Tallinn-Verschwörung
die Brüstung warfen, wandte sich der Anführer der Neonazis an den Monsignore, der wie ein düsterer Schatten in der offenen Tür stand.
»Wie konnte die Frau an diese Wohnung kommen? Sie sagten doch, Ihre Leute hätten das obere Geschoss unter Kontrolle!«
»Das frage ich mich auch. Ich werde Nachforschungen anstellen und es herausfinden. Der Trottel, der das in die Wege geleitet hat, kann sich auf etwas gefasst machen. Jetzt aber sollten wir gehen. Wenn die Frau gefunden wird, gibt es hier zu viel Wirbel.« Der Monsignore ging zum Aufzug, der noch immer in diesem Stockwerk stand, und öffnete die Tür.
»Mein Sekretär und ich fahren als Erste. Wir schicken Ihnen und Ihrem Pavian den Aufzug wieder hoch.«
»Ich bin kein Pavian!«, bellte Feilings Leibwächter, der sich von den Kirchenmännern nicht länger beleidigen lassen wollte.
»Dann eben ein Gorilla«, sagte der Sekretär gelassen und schob ihn und Feiling auf den Flur hinaus. Als er die Tür abschloss, blieb sein Blick auf dem Schlüssel hängen.
»Der muss noch versorgt werden. Die Polizei würde sich sonst wundern, wie jemand aus dem Fenster einer Wohnung springen kann, deren Schlüssel verschwunden ist.«
DREI
F ranz Xaver Wagner hörte, wie jemand in seinem Büro auf die Computertasten einhackte, und steckte den Kopf hinein. Beim Anblick des jungen Mannes, der an seinem Schreibtisch saß und gespannt auf einen Bericht mit einem Foto starrte, schüttelte er nachsichtig den Kopf.
»Guten Morgen, Renk. So früh schon hier, und das an meinem Computer? Worum geht es denn?« Wagner beugte sich neugierig vor und schüttelte dann erneut den Kopf. »Was wollen Sie denn mit Feiling? Um den kümmern sich die Kollegen vom Verfassungsschutz. Uns geht der Kerl nichts an.«
Torsten Renk war im ersten Moment zusammengezuckt, als er seinen Vorgesetzten unvermittelt vor sich sah, fasste sich aber gleich wieder und sagte: »Da bin ich anderer Meinung, Herr Major. Ich bin mir sicher, dass Feiling Hoikens bei uns eingeschleust hat.« Seine Stimme klang gepresst, als könne er seine Emotionen nur mühsam im Zaum halten.
Ein Jahr Afghanistan hatte offensichtlich nicht genügt, seinen Untergebenen über die Sache hinwegkommen zu lassen, dachte Wagner bedauernd. »Sie wollen Hoikens immer noch selbst erwischen, was? Aber der gehört nicht mehr zu unseren Klienten.« Sein Blick schien den Leutnant durchbohren zu wollen.
Torsten war ein großer, hager wirkender Mann knapp unter dreißig mit einem knochigen Gesicht, das auch jetzt den mürrischen Ausdruck zeigte, den er meist zur Schau trug. Nun wies er auf den Bildschirm und lachte bitter. »Der Verfassungsschutz hat in den letzten zwölf Monaten weder Hoikens noch Feiling ausfindig machen können. Die beiden können
in München jederzeit über den Marienplatz spazieren und sich über unsere Unfähigkeit schieflachen.«
»Die Leute vom Verfassungsschutz pflegen als Letzte zu lachen. Die kriegen die Kerle, Renk, verlassen Sie sich drauf! Sie aber haben das nächste Vierteljahr Urlaub. Schnappen Sie sich Ihre Andrea, fliegen Sie mit ihr irgendwohin und vergessen Sie Hoikens.«
»Wir können hier nicht weg. Andrea hat erst vor vierzehn Tagen eine Stelle im Neuperlacher Klinikum angenommen. Da bekommt sie noch keinen Urlaub.« Während er dies sagte, starrte Torsten Feilings Foto auf dem Bildschirm an wie eine Bulldogge, die im nächsten Moment zuschnappen will.
»Warum sind Sie eigentlich so scharf auf Hoikens?«, fragte Wagner, obwohl er die Antwort kannte. Aber vielleicht beruhigte sich der junge Mann endlich, wenn er noch einmal mit ihm darüber sprach.
Torsten löste seinen Blick vom Computermonitor und drehte sich zu Wagner um. »Wir haben zur selben Friedensmission in Darfur gehört. Für mich war er ein guter Kamerad, auch wenn er manchmal recht reaktionäre Ansichten vertreten hat. Ich hatte nicht mitbekommen, dass er sich vor den Einheimischen aufspielte wie ein General aus der Kaiserzeit. Als er bei einer Erkundungsfahrt einige Leute schikaniert hat, die wir kontrollieren sollten, zog einer der Farbigen ein Messer und stach zu. Ich habe den Mann erschossen, bevor er Hoikens umbringen konnte. Verstehen Sie mich, Herr Major? Ich habe einen Menschen getötet, um einen Mann zu retten, der es nicht wert war.«
»Sie haben damals richtig gehandelt. Ihre Zweifel kamen ja erst, als Sie herausgefunden hatten, dass Hoikens ein aktiver Neonazi ist. Und jetzt verschwinden Sie gefälligst von meinem Schreibtisch! Sie
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