talon013
blieb abwartend einige Schritt entfernt von dem Löwen stehen.
[Ich habe ihn besiegt] , folgte die knappe Antwort. Shion beachtete den Weißen nicht weiter und richtete seinen Blick auf eine steinerne Tür, die ohne einen erkennbaren Spalt in die Wand eingelassen worden war. Sekunden später verschwand die schwere Platte mit einem leisen Knirschen in der Wand, ohne dass das Wesen einen Schalter betätigt hätte.
„Herr!“, klang der überraschte Ruf aus dem Inneren der Zelle. Talon konnte das Gewirr mehrerer Stimmen von Menschen hören, die ihre Gefühle zu kontrollieren versuchten. Dennoch war die Freude deutlich zu spüren. Nur wenige Sekunden danach trat N’kele mit einem forschen Schritt aus dem Schatten des Verlieses und stellte sich im Gang auf.
Der Anführer der Garde würdigte die Toten am Boden keines Blickes, doch beim Anblick Talons zuckte er merklich zusammen. Forschend suchten seine Augen in denen des weißen Mannes nach einer Antwort auf die ungestellten Fragen, die in seinem Kopf arbeiteten. Dann jedoch nickte er kurz und senkte den Blick.
„Es ist gut, euch zusammen zu sehen“, presste er leise hervor. „Wir brauchen alle Hilfe, derer wir habhaft werden können, um den Tempel zurück zu erobern.“
[Wir werden den Tempel verlassen] , erklärte Shion.
Talon war genauso überrascht wie N’kele und die restlichen Männer, die nach und nach in den schwach erleuchteten Gang traten. „Das kann nicht dein Ernst sein!“, rief er aus. „Wir wissen, was dieser Besessene anrichten kann. Wir haben uns bis hierher durchgekämpft –“
[Ja] , unterbrach ihn der schwarze Löwe. [Und wenn wir jetzt weiterziehen, werden wir verlieren. Wir sind viel zu geschwächt. Wir wissen nicht, wie wir handeln sollen. Deshalb ziehen wir uns zurück.]
Die glühenden Augen legten sich mit einem beruhigenden Glanz auf Talons aufgebrachte Miene. [Eser Kru ist viel zu geschwächt, um uns jetzt aufspüren zu können. Doch stark genug, uns zu besiegen. Wir werden einen anderen Zeitpunkt wählen, wenn er uns nicht erwartet …]
N’kele verbeugte sich tief, und die weiteren Männer der Garde taten es ihm nach.
„Wenn du es befiehlst, werden wir es so tun.“
[Wenn ich es befehle, werdet ihr Talon folgen. Denn er ist mein Nachfolger, N’kele. Nicht vor mir solltest du Loyalität zeigen] , wies Shion die Männer zurecht. Talon konnte förmlich spüren, wie der hünenhafte Mann mit der bronzefarbenen Haut unter diesen Worten zusammenzuckte. Doch er brachte keine Erwiderung hervor. Er verbeugte sich ein Stück weiter und erhob sich dann. Sein Blick ging an Talon vorbei und verlor sich in der Tiefe des Ganges.
Wutentbrannt schleuderte Eser Kru den toten Körper gegen eine der Wände. Sie waren entkommen! Und Shion war zurück. Der Anblick der Wunden schloss jeden Zweifel aus.
Die Toten waren entdeckt worden, als die Ablösung ihren Platz einnehmen wollte. Es gab keine Spuren, die darauf hinwiesen, wohin die Männer verschwunden waren. Eser Kru standen noch knapp achtzig Männer und Frauen zur Verfügung. Mit ihnen konnte er den Tempel kaum noch unter Kontrolle halten, geschweige denn die Umgebung.
Er musste die Truppen jetzt zusammenhalten. Die Leute waren durch die Verschiebung der Realitäten verwirrt und verunsichert. Die Verliese zu diesem Zeitpunkt noch bewachen zu lassen, war sinnlos. Er konnte es sich nicht leisten, dass die Männer einer nach dem anderen in der Tiefe der Gebäude aufgerieben wurden.
Noch war der Prozess nicht abgeschlossen. Noch war es ihm unmöglich, die Stämme der Umgebung alleine durch einen einzigen Gedanken zu beherrschen und zu lenken wie damals.
Mit weiten Schritten kehrte Eser Kru in die oberen Stockwerke zurück. Die Unruhe der noch verbliebenen Männer und Frauen war fast greifbar. Sie alle hatten nicht verstehen können, was überhaupt geschehen war. Alle modernen Waffen waren unbrauchbar geworden, und die wenigsten von ihnen waren mit einfachen Waffen wie Messern und Äxten oder altertümlichen Waffen wie Speeren ausgestattet, die die zeitliche Veränderung überstanden hätten.
Eser Kru wusste, dass er in den folgenden Tagen wieder Ruhe in die Menschen bringen musste, wollte er ihre Unterstützung nicht völlig verlieren. Er ärgerte sich über sich selbst, so viele Kräfte dafür verschlissen zu haben, seine Ziele zu schnell erreichen zu wollen. Sowohl die seiner Truppen wie seine eigenen. Er hatte den Widerstand gegen seine Herrschaft offenbar selbst erst entfacht, anstatt
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