talon013
bedächtig vorzugehen. Über 5.000 Jahre … was machten da ein paar Tage? Nein, wies er sich zurecht. Jeder weitere Tag war ein Tag zuviel.
Als er sein Quartier erreichte, entließ er die Männer und Frauen, die ihn begleiteten. Vor der Tür bezogen zwei Wachen mit stoischem Gesichtsausdruck ihren Posten.
Eine Mattigkeit überfiel ihn, die ihn beinahe taumeln ließ. Er löste die Zierreifen, die seine muskulösen Oberarme umschlossen und warf sie achtlos auf den Boden. Sofort eilten zwei der Mädchen, die sich ständig in seinen Räumen aufhielten, herbei, um den Schmuck aufzuräumen. Ohne eines von ihnen wirklich anzusehen, streckte Eser Kru seinen rechten Arm aus und öffnete verlangend die Hand. Ein hölzerner Becher, gefüllt mit einem heißen Kräutersud, wurde ihm von einer jungen Frau gereicht, die ihm knapp bis zur Brust reichte.
Er machte sich keine Illusionen darüber, dass eine der Frauen freiwillig bei ihm war. Sie waren der uralte Tribut der Stämme an den Herren des Tempels. Während er das heiße Gebräu trank, betrachtete er die Mädchen über den Rand des Bechers hinweg. Sie bedeuteten zumindest eine gewisse Ablenkung, auch wenn er heute Abend keinen Gebrauch davon machen würde.
Die heiße Flüssigkeit breitete sich wohlig in seinem Inneren aus, und er fühlte, wie er begann sich zu entspannen. Seine derzeitige Favoritin, Aya, trat auf ihn und ging vor ihm in die Knie, während sie ihre Hände in die Höhe streckte, in denen sie einen Umhang für Eser Kru hielt.
Der Hüne nahm den dünnen Stoff entgegen und bedeutete dem Mädchen aufzustehen. Sie öffnete die Augen und lächelte ihn müde an, doch plötzlich weiteten sich ihre Augen. Entsetzt schrie sie auf und wies mit dem Finger auf eine Stelle hinter ihrem Herrn.
Eser Kru wirbelte herum und blickte in ein festes, in sich verwobenes Gespinst aus schweren dunklen Fäden, die schwarz aus sich heraus schimmerten. Das Gebilde reichte bis zur hohen Decke und bewegte sich mit einem leichten Wabern vorwärts. Er fluchte und schleuderte dem Schemen den noch halb gefüllten Becher entgegen.
Dieser durchdrang die Schwärze wie einen Schatten und landete polternd auf dem Boden dahinter, während sich die restliche Flüssigkeit über den Stein verteilte. Durch den Schrei aufgeschreckt waren die beiden Wachen in Eser Krus Räume geeilt, doch auch sie blieben erstarrt vor dem Gebilde stehen, das sich weiter langsam auf sie zu bewegte.
Plötzlich löste sich ein dünner Finger aus der Schwärze und zuckte auf den Hünen nieder. Eser Kru konnte nicht mehr ausweichen und schrie gepeinigt auf, als der Schatten seine Haut verbrannte. Wieder und wieder lösten sich weitere Fäden, die sich Blitzen gleich um den Hünen legten und ihn in die Knie gehen ließen.
Abwehrend hob er seine ausladenden Arme an und beschrieb mehrere Bannformeln. Doch für jeden Faden, den er lösen konnte, schienen zwei neue seinen Platz einzunehmen. Ein penetranter Geruch nach verbranntem Fleisch erfüllte den Raum. Eine der Wachen versuchte unvorsichtigerweise, ihrem Herrn zu helfen. Das Gespinst aus schwarzen Fäden hüllte den untersetzten Mann sofort ein und verbrannte seine Formen binnen Sekunden zu einem Haufen geschmolzener Schlacke. Der qualvolle Todesschrei des Mannes verhallte an den hohen Wänden der Gemächer.
Eser Kru wusste, dass er mehr Kraft benötigte, um dieses Gebilde zurückdrängen zu können, das sich aus der Tiefe des Tempels gelöst hatte. Seine Gedanken tasteten umher und suchten die Präsenz der anwesenden Menschen. Wie in einem Bann scharten sich die verbliebenen Frauen und die Wache um ihn. Drei der Mädchen wehrten sich verzweifelt und versuchten sich aus der geistigen Umklammerung zu lösen, mit dem der Hüne Macht über ihren Körper ausübte.
Doch Eser Kru fühlte das Leben, das ihn umringte, viel zu deutlich, als dass er bereit war es freizugeben. Seine Sinne tasteten nach der Lebensenergie der Menschen, die sie umgab wie eine leuchtende Aura. Er schlug seine Pranken in den leuchtenden Schein und zerrte ihn zu sich her, sog ihn in sich auf und ließ ihn in den Kristall auf seiner Stirn fließen, der glutrot pulsierte.
Verzweifelt fühlte die Menschen, wie der Hüne das Leben aus ihrem Körper saugte. Die Haut der jungen Frauen wurde faltig und fiel in sich zusammen, während sich die Muskeln ihres Körpers aufzulösen schienen. Mumien gleich stolperten die ausgezehrten Körper zurück und waren bereits tot, noch bevor sie kraftlos zu Boden sackten
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