Taltos
im Landesinnern in einem schwebenden Schloß.«
»Ein schwebendes Schloß«, wiederholte ich. »Alles klar. Das einzige seit dem Interregnum. Ein bißchen großkotzig also.«
Kragar grunzte. »Das kannst du laut sagen. Er nennt es
›Das Schwarze Schloß‹.«
Ich schüttelte den Kopf. Schwarz ist für die
Dragaeraner die Farbe der Zauberei. »Also gut. Was hat Morrolan damit zu tun, daß –«
»Geographisch gesehen gehört der Dzurberg zu seinem Lehen. Er liegt ungefähr fünfzig Meilen von dem Ort entfernt, wo sich das Schloß normalerweise befindet.«
»Interessant«, fand ich.
»Ich frage mich, wie er seine Steuern eintreibt«, warf Loiosh ein.
»Das ist das einzig Auffällige«, schloß Kragar.
Ich nickte. »So ist das halt mit Bergen. Aber gut, Kragar. Das ist wenigstens eine Verbindung. Was weißt 12
du sonst noch über Morrolan?«
»Nicht viel. Er hat eine beträchtliche Zeit während des Interregnums drüben im Osten verbracht, deshalb hält man ihn für tolerant gegenüber Leuten aus dem
Ostreich.« Unter Leuten aus dem Ostreich versteht man Menschen wie ich einer bin. Aber Dragaeraner
bezeichnen sich selber als Menschen, was natürlich absolut lächerlich ist, die Angelegenheit aber verwirrend macht.
Ich sagte: »Nun, ich könnte ja damit anfangen, daß ich Morrolan einen Besuch abstatte, falls er einwilligt, mich zu empfangen. Und was hast du über den Dzurberg herausgekriegt?«
»Dies und das. Was willst du wissen?«
»Hauptsächlich ob Sethra Lavode tatsächlich
existiert.«
»Vor dem Interregnum ganz gewiß. Es gibt Berichte über die Zeit, als sie Parteigängerin am Hof war. Die Pforten des Todes, Boß, sie war mehr als einmal Kriegsherrin.«
»Wann?«
»Vor ungefähr fünfzehntausend Jahren.«
»Fünfzehntausend Jahre. Soso. Und du meinst, sie könnte noch immer am Leben sein? Das wäre dann, wieviel, fünf- oder sechsmal so lange wie die
durchschnittliche Lebensdauer?«
»Naja, wenn man den Gerüchten glauben schenkt,
stürmen dann und wann grünschnäblige Helden aus dem Haus der Dzur den Berg, um sich mit der bösen Zauberin zu messen, und man hört niemals wieder von ihnen.«
»Klar«, meinte ich. »Aber die Frage ist doch, ob wir diesen Gerüchten auch glauben.«
13
Er blinzelte. »Was mit dir ist, weiß ich nicht, Vlad, aber ich ja.«
Ich grübelte über uralte Legenden, Zauberinnen, abtrünnige Söldner und Berge.
»Man kann einfach keinem mehr trauen«, sagte Loiosh und flog mir auf die rechte Schulter.
»Ich weiß. Traurig ist das.« Loiosh gab ein psionisches Grunzen von sich. »Das meine ich ernst«, gab ich zurück. »Ich hab diesem Sohn einer räudigen Hündin echt vertraut.«
Ich nahm mir einen Dolch und wirbelte ihn herum.
Nach einer Weile steckte ich ihn wieder weg und sagte:
»Na schön, Kragar. Schick dem Lord Morrolan eine Nachricht und frage ihn, ob er sich dazu herabläßt, mich zu empfangen. Wann immer es ihm beliebt
selbstverständlich; ich bin ja nicht – halt mal! Wie kommt man da überhaupt hin? Ich meine, wenn das Ding schwebt –«
»Per Teleport«, sagte Kragar.
»Na toll«, stöhnte ich. »Dann bereite alles vor, ja?
Und gib Narvane die Koordinaten. Ich hab keine Lust, Geld für die nervigen Öffentlichen auszugeben, also werde ich mich wohl mit ner unbequemen Reise abfinden müssen.«
»Warum machst du es dann nicht selber?«
»So unbequem soll es auch wieder nicht werden.«
»Werden wir langsam ein wenig empfindlich, Boß?«
»Wieso ›werden‹?«
»Geht klar, Vlad.«
Und Kragar ging hinaus.
14
Jetzt, wo ich alles mit ein paar Jahren Abstand betrachte, muß ich sagen, daß ich nicht glaube, mein Vater hätte mich mies behandelt. Wir beiden waren alleine, was das Ganze erschwert hat, aber für seine Verhältnisse hat er getan, was er konnte. Und wenn ich alleine sage, dann meine ich es auch so. Wir haben unter Dragaeranern gelebt, nicht im Ostländerghetto, folglich haben unsere Nachbarn sich nicht mit uns abgegeben, und der Rest unserer Familie beschränkte sich auf den Vater meines Vaters, der diesen Teil der Stadt nicht betreten hat, und mein Vater wiederum brachte mich als Kind nicht gerne zu Noish-pa.
Man sollte meinen, daß ich mich ans Alleinsein
gewöhnt habe, aber so ist es nicht gekommen. Ich habe es immer gehaßt, und das tue ich heute noch. Vielleicht ist das bei uns Ostländern eine Sache des Instinkts. Am schönsten war es, wenn ich zurückdenke, an Tagen, wo in der Schenke nichts los war und die Kellner
Weitere Kostenlose Bücher